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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition)
Autoren: Simon Geraedts
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sind wie unsere erschaffenen Welten, die Sie so verteufeln? Will Ihnen nicht aufgehen, dass all Ihre Bemühungen vergebens sind und Ihre Träume für immer unerfüllt bleiben? Großzügig bot ich Ihnen an, in unser Reich aufzusteigen, wo Ihnen an der rechten Seite unseres Throns Licht und Glückseligkeit vergönnt gewesen wären. Doch stattdessen entschlossen Sie sich zur Flucht aus unserer Heilanstalt, der Erhebungsstätte des Geistes, und rissen Frau Kahlbach mit ins Unheil, die kurz davor stand, ins ewige Paradies aufzufahren.«
    »Er hat mich aus eurem Kerker befreit!«, schrie Judith. »Er hat mir das Leben gerettet und die Freiheit zurückgegeben!«
    »Freiheit«, wiederholte der Herr schmunzelnd. »Ist dies der rechte Ausdruck für ein Leben in Kälte und Finsternis? Für ein trostloses Dasein in Hunger und Angst?«
    Das Wesen betrachtete Judith so liebevoll wie ein Kind, das noch vieles lernen musste. »Wären Sie doch bei uns geblieben, Frau Kahlbach, hätten Sie nur bis zuletzt auf uns vertraut und den Aufstieg Ihres Geistes vollendet. Sie würden jetzt nicht im Dunkeln wandeln, sondern ins ewige Licht blicken.«
    Der Herr neigte sich näher zu ihr und flüsterte: »Sie würden das höchste Glück erfahren, Frau Kahlbach, gleich an der Seite Ihres Vaters, der schon vor Wochen zu uns kam.«
    Judith riss die Augen auf und wurde blass vor Entsetzen. »Nein! Ihr lügt, so wie ihr es immer tut! Ihr verfluchten Bestien!«
    Judith wollte sich auf das Wesen stürzen, doch Janick hielt sie zurück. Sie versuchte sich loszureißen, doch gab schließlich nach und hielt sich schluchzend an ihm fest.
    »So viel Hass und Abscheu ruht in manchen Menschenherzen!«, sagte der Herr und lachte. »Wie viele Jahre sind Sie mit Ihrem Vater durch die Berge gezogen, Frau Kahlbach? Wie lange hat es Ihnen an Wärme, Licht und Geborgenheit gefehlt? Sie mussten sich auf das Nötigste beschränken und schreckliche Qualen erleiden, um Ihre sogenannte Freiheit zu bewahren. Dabei waren Sie Ihr Leben lang Gefangene des Gebirges, das kaum Nahrung bietet, eingesperrt in der Dunkelheit, aus der es kein Entkommen gibt. In der äußeren Welt ist Ihre Freiheit eingeschränkter als sie es in unserer Obhut jemals wäre. Wonach auch immer Sie sich hier draußen gesehnt haben, bietet unser Reich im Überfluss. Bemerken Sie denn nicht, dass Ihr Kampf verfehlt ist? Erkennen Sie nicht, dass die Hoffnung Ihnen nichts als Leid und Elend bringt?«
    Der Herr betrachtete Judith aufmerksam und wartete gespannt auf eine Antwort. Doch sie verbarg das Gesicht in Janicks Brust und verharrte kummervoll in Schweigen. Die Kreatur richtete den Blick auf Janick, um in seiner Miene die angestrebte Einsicht zu entdecken. Doch sie fand auch dort nur hasserfüllten Widerwillen.
    »Was seid ihr Menschen für sonderbare Geschöpfe, die lieber gewaltsam nach dem Unerreichbaren streben als friedvoll Geschenke anzunehmen?«
    »Wir bewahren unsere Würde!«, knurrte Janick. »Eher sterben wir, als unsere Überzeugungen zu verraten und uns einem fremden Willen zu beugen!«
    Der Herr sah Janick einen Moment lang verwundert an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus, in das die restlichen Kreaturen grunzend einstimmten.
    »Wie Sie unschwer erkennen dürften, Herr Baumgartner, entsprechen die meisten Ihrer Art widerstandslos unserem Willen. Gar opfern sie ohne erkennbare Reue ihre Artgenossen, um sich unseres Wohlwollens zu versichern. Sie selbst werden in diesem Augenblick Zeuge und Opfer der Unmoral, über die Sie Ihre Rasse in blindem Stolz erheben.«
    Janick presste die Lippen zusammen und schluckte schwer. »Ihr knechtet die Siedler durch die Ketten der Angst. Ihr lehrt sie das Fürchten und verwandelt ihre Herzen zu Stein, so wie ihr es mit unserer ganzen Welt getan habt. Denn die Angst ist ein ebenso mächtiges Gefühl wie die Hoffnung, nur ihre Wirkung ist gegenteilig; sie lähmt den menschlichen Willen, anstatt ihn zu beflügeln. Aber am Ende wird die Furcht vergehen, die auf morschen Brettern steht, und der Hoffnung weichen, die nie ganz vergeht. Die wahre Natur der Siedler, ihr Wille zum Kampf und zur Selbstbestimmung, wird zum Vorschein kommen, so wie auch die Sonne sich wieder zeigen wird, die hinter eurer finsteren Fassade nie aufgehört hat zu scheinen.«
    »Beharrlich sprechen Sie von der Hoffnung als das erlösende Element Ihrer Spezies, Herr Baumgartner, als hätte ich Ihnen nicht längst bewiesen, dass sie nichts als Luft und Staub ist. Was Sie Hoffnung
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