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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition)
Autoren: Simon Geraedts
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herzhaft und unbeschwert, wie nur Thomas es in einer so finsteren Welt zustande brachte.

Im Kontrollzentrum
    Das Kontrollzentrum war von beeindruckender Größe und glich der Brücke eines Flugzeugträgers. Unter der langen Fensterreihe verarbeiteten zahllose Rechner alle möglichen Daten, die von ebenso vielen Monitoren in abwärts laufenden Tabellen angezeigt wurden.
    Vor den meisten Geräten befanden sich schwarze Ledersessel, die elektrisch verstellbar waren. Außerdem gab es großflächige Tastaturen, die wie komplizierte Mischpulte aussahen. Auf manchen Bildschirmen waren Kameraaufnahmen aus den verschiedenen Stockwerken des vorderen Industriesektors zu sehen. Andere übertrugen Bilder des hinteren Wohnbereichs, der dortigen Flure, der Kantine, des Schulraums sowie der kleinen Bibliothek.
    »Diese Spanner hatten sogar in manchen Wohnkabinen versteckte Kameras«, sagte Thomas, der aus dem Augenwinkel bemerkte, dass sein kleiner Bruder auf die Überwachungsmonitore starrte. Er selbst spähte durch eine Art Fernrohr, das unmittelbar vor der Scheibe im Boden verankert war, und drehte an einem Verstellrädchen.
    Janick hatte es sich mit Judith auf einer gepolsterten Sitzbank bequem gemacht. Sie hatten sich in eine Wolldecke gehüllt und tranken eine Tasse Kakao, dampfend heiß und herrlich schokoladig. Sie hatten bereits eine üppige Mahlzeit zu sich genommen und sich über die königlichen Nahrungsvorräte gewundert, die es im Quartier der Führerschaft gab.
    »Was habt ihr mit ihnen gemacht?«, fragte Janick unbehaglich, da er nicht sicher war, ob er die Antwort hören wollte.
    Thomas hatte nur mit halbem Ohr zugehört, während er durch das Rohr spähte und am Rädchen hantierte. »Mit wem?«
    »Mit den Obersten.«
    Thomas ließ sich mit der Antwort Zeit. Als er endlich von dem Sichtgerät abließ, wandte er sich mit ernster Miene zu Janick. »Wir haben diesen Despoten, die uns jahrzehntelang wie Sklaven behandelt und in die Dunkelheit getrieben haben, mit einer Kreissäge den Kopf abgetrennt und ihre Visagen in der ganzen Siedlung auf Holzpflöcken aufgespießt.«
    Janick und Judith sahen ihn bestürzt an und wurden noch blasser, als sie ohnehin schon waren. Thomas ließ sie einen Moment lang in dem Glauben, er meine es ernst, und brach dann in prustendes Gelächter aus.
    »Eure Gesichter, Wahnsinn!«, rief er und beugte sich lachend nach vorn.
    »Meine Güte«, hauchte Judith und stimmte unsicher in sein Gelächter ein.
    »Du hast sie nicht mehr alle«, meinte Janick kopfschüttelnd.
    Thomas beruhigte sich allmählich und wischte sich Tränen aus den Augen. »Reg dich nicht gleich auf, kleiner Bruder. War doch nur Spaß. Wir haben die Kerle unten im Werkzeuglager eingesperrt. Dort haben sie jede Menge Zeit, um über ihre Sünden nachzudenken.«
    Judith, die immer noch etwas erschrocken wirkte, atmete erleichtert auf.
    »Du wirst dich leider an seinen Irrsinn gewöhnen müssen«, flüsterte Janick ihr ins Ohr. »Wahrscheinlich hat er uns vor dem Tor absichtlich bis zur letzten Sekunde schmoren lassen, weil unsere Notlage ihn so sehr amüsiert hat.«
    »Glaub ihm kein Wort!«, rief Thomas lachend, der seinen Bruder genau verstanden hatte. »Ich hab euch doch erklärt, dass dieser überdimensionale Laserpointer noch nicht ganz ausgereift ist. Das Teil ist ein Prototyp. Ihr solltet froh sein, dass ich ihn überhaupt schon zum Laufen bringen konnte. Eigentlich sollte er erst in anderthalb Wochen, zum Monatsbeginn, seine Premiere feiern, wenn die Biester kommen, um ihr Opfer abzuholen. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr sie schon vorher zum Tee einladet, wäre mein Plan anders ausgefallen.«
    Janick seufzte und verdrehte die Augen. »Vergib uns.«
    »Werd nicht frech, Brüderchen. Immerhin hab ich dir schon zum zweiten Mal den Arsch gerettet.«
    Janick legte mürrisch den Kopf in den Nacken. »Was hältst du davon, wenn du deine Sprüche einmal lässt und uns stattdessen erklärst, was da unten passiert ist. Wie ist es möglich, dass wir noch leben?«
    »Tja, mein Lieber«, begann Thomas, während er sich wieder dem Fernrohr zuwandte. »Ohne dich wäre mir wohl nie aufgegangen, was es mit diesen Kreaturen auf sich hat. Aber als du dich so ausführlich mit diesem charmanten Anzugträger unterhalten hast …«
    Thomas wurde unterbrochen, als ein Mann mittleren Alters das Kontrollzentrum betrat. Er hatte langes, schwarzes Haar, einen dichten Vollbart und bedrohlich dunkle Augen, von denen das linke stark geschwollen
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