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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman
Autoren: Gloria Frost
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dass alle Geschichten der Wahrheit entsprachen. Sogleich schossen ihr neue Ungereimtheiten durch den Kopf, die es zu ergründen galt. Ihre Zunge kam gar nicht schnell genug hinterher, die Gedanken auszusprechen, die plötzlich in ihrem Hirn brodelten.
    „Was war dem Prinzen geschehen, dass du ihm das Leben retten musstest? Wie konntest du überhaupt in seine Nähe gelangen? Er wird kaum auf der Straße gespielt haben, sondern war sicher hinter dicken Mauern vo r den Blicken der Bürgerlichen geschützt. Weshalb warst du überhaupt in Dänemark? Ich denke, deine Familie litt an ständiger Armut. Dazu passt eine solch weite Reise nun wirklich nicht. Wir Niedersachsen sind doch mit unserer Scholle verwachsen. Außerdem interessiert mich, warum deine Eltern dich ohne weiteres dem König überlassen haben. Liebten sie dich denn nicht? Und was hat das alles mit deiner Freundin, der Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel zu tun?“
    Rubina seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch das schüttere Haar.
    „Kind, Kind, was du für einen Haufen Fragen stellst. Die kann ich dir unmöglich auf einmal beantworten. Habe die Hälfte davon schon wieder vergessen.“
    „Du bist mir viele Erklärungen schuldig, Mutter.“
    „Ist das so?“
    „Und ob.“
    „Ich glaube, wie ich mein Leben verbracht habe, ist allein meine Angelegenheit. Aber damit du endlich Ruhe gibst, will ich dir einiges beantworten.“ Rubina wand sich, ähnlich einem Fisch am Haken, der vergeblich versucht, dem Angler zu entkommen, und wusste doch, dass die Stunde der Wahrheit gekommen war. Deshalb wollte sie das Verhör, wie sie es innerlich nannte, möglichst schnell hinter sich bringen.
    „Also hör zu, Isabella. Meine Eltern waren nicht nur arm, sondern Gaukler, die von Ort zu Ort zogen, um die Menschen mit Kunststücken zu erfreuen. Dabei blieb unsere Familie nicht nur in Deutschland. Bereits als kleines Mädchen hatte ich mit meiner Sippe viele Länder bereist.“
    „Wart ihr Zigeuner?“ Isabella wagte das Wort kaum auszusprechen, haftete ihm doch der Ruf des Verruchten an. Selbst ihre Zieheltern und die anderen vor den Mauern der Stadt Hausenden, brachten Kinder und Tiere rasch in die Häuser, rissen die Wäsche von der Leine, schleppten sie in Sicherheit, sobald fahrendes Volk auftauchte. Die Worte des Abdeckers hallten in ihren Ohren: „Das Pack klaut alles, was es ergattern kann. Auch kleine Kinder.“ Dabei hatte er mit den Augen gerollt und geflüstert: „Die fressen sie, wenn der Hunger zu groß wird.“       
    Rubina betrachtete das verstörte Gesicht ihrer Tochter. „ Ja, Zigeuner werden wir im Volksmund genannt. Doch du darfst nicht alles glauben, was die Leute an Schauermärchen über uns verbreiten. Minderheiten werden immer und überall mit Gerüchten überhäuft. Wir sind anständiger als die meisten Spießbürger, von denen fast jeder ein dunkles Geheimnis vor der Öffentlichkeit verbirgt.“
    Der Tochter hatte es die Sprache verschlagen. Sie schwieg und starrte Löcher in die Luft.
    Rubina versuchte, die angespannte Situation zu entschärfen, indem sie weitererzählte, als bemerke sie die geistige Abwesenheit ihrer Tochter nicht: „Damals hatten wir unsere Zelte unweit des Königshauses auf dem Festplatz aufgeschlagen, denn Mittsommernacht stand vor der Tür. Zu solchen Anlässen waren wir gern gesehene Gäste, die zur Belustigung und Unterhaltung beitrugen. Ich schlenderte neugierig an der hohen Mauer entlang, die den riesigen Park von der Bevölkerung abtrennte. Plötzlich vernahm ich Todesschreie, vermischt mit Hilferufen mehrerer Kinder jenseits der Grenze.“
    „Und was hast du dann gemacht“, erkundigte sich Isabella, die ihre Stimme wiedergefunden hatte.
    „Was ich gemacht habe? Mir wurde sofort klar, dass höchste Gefahr bestand und umgehendes Handeln angesagt war. Daher kletterte ich ohne Zögern über die verbotene Mauer und kam gerade noch rechtzeitig.“
    „Was war passiert?“ Isabella kaute vor atemloser Spannung an den Nägeln.
    „Der kleine Kronprinz Christian ruderte mit Armen und Beinen im Schlossteich herum, konnte nicht schwimmen. Er sank tiefer und tiefer, schrie wie am Spieß. Seine beiden Schwestern Elisabeth und Anna nicht minder. Christian lief bereits blau an, schnappte verzweifelt nach Luft.“      
    „Und dann?“
    „Dann habe ich ihm das Leben gerettet. Bin ins Wasser gesprungen, zu ihm hingeschwommen und habe das strampelnde Kerlchen an Land gezerrt. War verflixt anstrengend, das
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