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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman
Autoren: Gloria Frost
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die anderen war, fiel Isabella auf ihr Strohlager und versank in Trübsal, in der sie tagelang verharrte, ohne zu essen oder zu trinken. 
    Gnadenlos hatte das Schicksal wieder einmal zugeschlagen, aber die Erde drehte sich weiter, wie sie es seit Millionen Jahren tat. Der Frühling zog ins Land, bekränzte das Grab von Rinaldos Familie , wie zur Entschuldigung, mit Kornblumen und Vergissmeinnicht.
    Paul fragte Isabella, warum ihr Vetter, seine Frau und deren Kinder verschwunden seien. „Sie sind in eine schönere Gegend gezogen“, antwortete Victors Witwe wahrheitsgemäß.
    Freund Sommer lachte hell auf die Zurückgebliebenen, winkte ihnen vergnügt mit roten Kirschen zu. Ganz in Grün gekleidet, gebar er Kräuter und Früchte im Überfluss und
    verabschiedete sich mit sengender Hitze .
    Seit Wochen hatte es nicht geregnet. Wie ei ne Dunstglocke hing schwüle Luft über dem Land. Septembersonne schenkte Äpfel, Brombeeren und die ersten saftigen Birnen. Heute schwiegen die Kanonen das erste Mal nach langen Gefechten.
    Großmutter fuhr mit der gesamten Sippe über Land, nahm wie selbstverständlich Isabellas Buben auf den Ausflug mit.
    Die Enkelin blieb daheim, schlenderte durch den Garten, pflückte Obst von Bäumen und Sträuchern, sammelte es in Eimern und Holzkübeln. Zwischendurch ließ sie Beeren in ihren Mund wandern. Sie schmeckten gar zu gut.
    Bienen und Hummeln umschwirrten sie, wollten die süße Beute nicht teilen. Bunte Schmetterlinge flatterten von Blume zu Blume, freuten sich ihres Daseins.
    Keine Möwe kreischte vom Meer her. Nirgends schwatzten Menschen. Ruhe umfing sie. Die Gauklerin verharrte, atmete tief, sog den Duft der blühenden Kräuter ein. Fast wie in Friedenszeiten, dachte sie, ob dieser Krieg wohl je endet?
    Paul steckte den Kopf aus der Tür. „Komm rein, Isabella. Es wird gleich ein Gewitter geben.“
    Sie drehte sich um, lachte ihn mit vom Naschen rot verschmiertem Mund an. „Ich fürchte mich weder vor Donner noch Blitzen. Thor sendet mir damit Grüße von Victor und Mutter.“ In Gedanken fügte sie hinzu - und von Christian, dem tapfersten Helden aller Zeiten.
    Der Henker schwieg, stapfte mit Riesenschritten herbei, schleppte Isabellas Ernte in den Schober. Der Himmel verfinsterte sich schlagartig. Graue Wolken zogen auf, blähten ihre Bäuche. Erste Regentropfen plätscherten auf den Boden, der sie gierig aufsaugte.
    Die Zigeunerin reckte die schweißnassen Arme gen Himmel, rief: „Seid mir willkommen, ihr Himmelsgeister! Nehmt ihr mich mit zu Gott Balder?“ Mit nackten Füßen lief sie in Richtung des offenen Meeres.
    Und dann brach das Unwetter über sie herein. Die Schöne sah, wie das Wasser wuchs. Ein brodelnder Schaumteppich ergoss sich über den flachen Kiesboden des Uferstreifens. Lange Wellen krochen zornig näher und näher, schnaubten: „Komm mit! Wir bringen dich zu Victor! Du gehörst ihm … ihm … ihm.“
    Sturm heulte um das Wäldchen in der Bucht, zerrte an den dürren Ästen der Bäume, die sich duckten , peitschte Isabella den Regen ins Gesicht. Er mischte sich mit ihren Tränen. Blitze zuckten, tauchten die Welt in ein gespenstisches Licht, warfen Schatten auf die glitzernden Kämme der Wogen. Donner, der vom düsteren Himmel grollte, klang wie von Göttern auf die Welt gebrüllter Fluch.
    Isabella stürzte, krallte sich am dornigen Gestrüpp fest, stolperte weiter voran, robbte auf allen vieren durch den knietiefen Matsch, blieb im Schlamm stecken. Sie schaffte es, umzukehren, doch die Wucht der johlenden Böe schleifte sie unbarmherzig zurück.
    Hinter ihr die gefräßige Flut. Einer riesigen, klebrigen Zunge gleich, leckte sie Isabellas Füße, Beine, Arme. Glitschige Algen packten die Ärmste, hielten sie fest. Von überall prasselten die Stimmen auf sie ein: „Komm mit. Komm mit. Komm mit!“
    Panik umkrallte ihr Herz und mit letzter Kraft schrie sie gegen die Himmelsgeister an: „Lasst m ich los! Ich will leben!“
    Im selb igen Augenblick wich die Naturgewalt. Regen und Sturm flohen davon. Im Nu war der Erdboden getrocknet. Isabella rannte zum Haus, vor dessen Eingang Paul auf den Stufen kauerte und geduldig auf sie wartete. Er rubbelte sie mit einem Handtuch trocken, legte eine weiche Decke um ihre Schultern. Anscheinend hatte er von Isabellas Kampf gegen die entfesselten Mächte der Unterwelt nichts mitbekommen.
    „Wo warst du?“, fragte er.
    „Ich habe mir das Schauspiel aus der Nähe angeschaut“, keuchte sie mit totenbleichem
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