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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman
Autoren: Gloria Frost
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verharrten sie in dieser Stellung und genossen das pure Glück.
    „Lasst euch anschauen, meine Lieblinge. Ihr seid ja richtig groß geworden …“, sie unterbrach sich und konnte das Wunder nicht fassen. Ungläubig betrachtete sie die Gesichter der Knaben. „Ihr habt Augen, ihr habt Augen. Ist es denn die Möglichkeit? Zauberei? Magie? Egal.“ Isabella ergriff die Hände der beiden, wirbelte mit ihnen im Freudentaumel herum.
    „Nein, mein Mädchen. Es ist keine Zauberei im Spiel. Ich habe mehrmals die Gesichtshaut der Jungen abgetastet und festgestellt, dass sich darunter Augäpfel befinden. Na, da gab es kein Halten mehr für eine erfahrene Heilerin. Ich ver setzte die Kinder mit der erprobten Dosierung unseres Betäubungsgemisches aus Tollkirschen, Bilsenkraut, Alraunen, Eisenhut und Stechäpfeln in Tiefschlaf, schnitt einfach die überflüssige Haut weg und vernähte die Wunden mit Schafsdarm. Seitdem können sie wie Adler sehen“, beteuerte Großmutter, die unbemerkt hinzugetreten war.
    „Stell dein Licht nicht immer unter den Scheffel, Mutter“, sagte Halina, „es war eine schwierige Operation, in der es um Leben und Tod ging. Du hast Blut und Wasser geschwitzt. Kein Feldscher hätte ein besseres Ergebnis erzielt. Eine großartige Leistung.“
    „Nun ja.“ Giovanna senkte abschwächend die Hände. Weiter kam sie nicht, denn Isabella umarmte die Alte derart stürmisch, dass sie beinahe gestürzt wäre. „Großmütterchen. Geliebtes Großmütterchen. Danke, danke, danke. Du hast Alexander und Wilhelm das Augenlicht geschenkt. Für mich bist du eine Heilige.“
    „Das ist sie, fürwahr“, murmelten Gi ovannas Kinder, Enkel und Urenkel einstimmig, während diese „Unfug“, grummelte und nicht wusste, was sie auf die Huldigungen erwidern sollte. Zum Glück fiel ihr ein, dass sie Isabella noch nicht gebührend begrüßt hatte. Lächelnd sprudelte sie hervor: „Willkommen in deiner neuen Heimat, mein Herzblatt. Mögest du hier Vergessen finden, das du so dringend brauchst.“
    „Ich kann nicht, Großmutter. Dafür waren die Jahre zu schlimm. Für immer haben sich die erbärmlichen Szenen in mein Hirn gebrannt.“
    Giovanna nickte. „Es wird schwer werden. Doch mit unserer Hilfe muss es gelingen. Vor allem durch die Gegenwart deiner Kinder. Du hast noch gar nicht nach deinem jüngsten Sohn gefragt.“
    „Meinem jüngsten Sohn?“
    „Wir haben ihn nach seinem Vater benannt, Christian. Ist das in deinem Sinne?“
    „Ob es in meinem Sinn ist? Ja, ja, ja. – Christians Kind lebt. Es lebt. Großer Gott – ich danke dir.“ Isabella kniete nieder, faltete die Hände zum Gebet, schluchzte.
    Und dann kam der Vierjährige hereingestürmt, an der Hand seiner Tante Karina, die ihn kaum halten konnte. Christians Ebenbild. Wirr standen die schwarzen Haare vom Kopf ab, herrisch schauten die braunen Augen aus dem Kindergesicht. Stolz und verwegen.
    „Christian, mein lieber süßer Christian. Komm zu deiner Mama!“, schrie Isabella, reckte ihm die Arme entgegen , drückte ihn fest an sich - und sank zu Boden, gab kein Lebenszeichen mehr von sich.       
    Ein Aufschrei ging durch die Anwesenden. Alle wollten zu Hilfe eilen.
    Paul, der sich bisher schweigend im Hintergrund gehalten hatte um die Wiedersehensfreude nicht zu stören, baute sich vor der Ohnmächtigen auf, verwehrte den Verwandten das Nähertreten, hob sie liebevoll auf und trug sie ins Schlafgemach. Fürsorglich bettete er Isabella in Daunendecken und sagte freundlich, aber bestimmt: „Wenn ihr wollt, dass aus dem zertrampelten Pflänzchen wieder eine starke, selbstbewusste Rose wird, dann gönnt ihr die Ruhe. Regt ihr angeschlagenes Herz nicht mit noch mehr Überraschungen auf, und seien sie noch so positiv. Sie war fünf Jahre von der Außenwelt abgeschirmt, gequält, gefoltert, vergewaltigt. Und mit ihrer Angst allein. Plötzlich bricht ein Schwall Gutes über ihr gedemütigtes Ich herein. Das verkraftet sie nicht, denn die Angst lässt sich nicht von heute auf morgen vertreiben. War zu lange ihre einzige Gefährtin, wird nicht kampflos das Feld räumen.“
    „Wahr gesprochen, Paul“, lobte Giovanna und lächelte ihm zu.
    Auf Zehenspitzen schlich sich die Schar hinaus.
     
     
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    Isabella schlief drei Tage und drei Nächte. Als sie erwachte, saß Giovanna neben ihrem Bett und strich ihr durchs Haar.
    Mit dem Ausdruck eines hungrigen Kindes schaute sie die Großmutter an. „Wo sind meine Söhne?“, fragte sie anstelle einer
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