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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman
Autoren: Gloria Frost
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geben, das Verhältnis zu Victor ungeschehen zu machen. Was war in mich gefahren? Ich weiß es nicht, nur, dass es ein übermächtiges Gefühl war. Ich hatte keine Chance dagegen. Vergib mir, wenn nicht gleich, so denke darüber nach. Du hast mir vor langer Zeit das Leben gerettet. Ich schwöre dir, ich werde deins retten, wenn du in Gefahr bist. Dann sind wir quitt.“ Barbara küsste Isabellas Hände, und sie ließ es geschehen.
    Wie schnell Rinaldos Frau ihren Schwur einlös en würde, ahnte keiner im Raum.
    Die Familie wandte sich zum Gehen. Winfried aber bat: „Tante Isabella, darf ich bei dir bleiben? Ich habe jeden Abend gebetet, dass du wiederkommst.“
    Isabella richtete sich auf, strich dem Buben über das Blondhaar und vertröstete ihn. „Dein Beten hat geholfen, mein lieber Junge. Dafür werden wir heute Nachmittag eine zünftige Schneeballschlacht machen, ja? Jetzt muss ich mich erst waschen und anziehen. Aber nachher spielen wir draußen. Das wird toll.“
    „Bauen wir auch einen Schneemann?“
    „Sicher. Den größten Schneemann, den du je gesehen hast.“
    „Fein“, rief Winfried und berichtete die Neuigkeit den Eltern und Geschwistern, die im Flur ungeduldig auf ihn warteten. Da drehte Rinaldo auf dem Absatz um, kehrte nochmals zurück und küsste seine Base auf die Wange. „Danke“, sagte er und verschwand.
    „Wohin verschwinden alle?“, rätselte Isabella. „Ist denn dieses gewaltige Anwesen doch nicht unser neues Zuhause?“
    „Es gehört dir allein, Du wirst hier mit deinen Kindern und Paul wohnen. Wir anderen leben weiter in unseren Wagen und Zelten, wie wir es gewohnt sind.“ Großmutter lächelte müde.
    „Aber im Haus ist Platz genug.“
    „Lass uns unser Gauklerleben führen. Es gibt nichts Schöneres. Unser Lagerplatz ist ja nur gut hundert Schritt entfernt. So können wir uns täglich besuchen, ohne uns auf die Nerven zu fallen.“
    „Und mein Vater?“
    „Richard ist längst einer der Unsren geworden, fühlt sich glücklich in unserer Truppe.“
    „Dann bi st du nie allein. So viel Kinder, Enkel und Urenkel um dich herum.“
    „Sie haben ihre eigenen Familien. Ich bin nur ein Fossil längst vergangener Epochen, das im Lebenswinter dahindämmert. Das Märchenbunt des Julis ging verloren im Herbstgesang.“
    „Vermisst du das Lachen des Sommers?“
    „Ja. Winterkalt birgt Wehmut. Und Einsamkeit färbt Seelen fahl, denn Blätter grünen nächstes Frühjahr nur frischem Blut. Mir bleibt die Stille.“
    „So sollst du nicht reden, Großmütterchen. Wir lieben dich doch alle.“
    „Ich liebe euch auch. Darum hat mir der Streit zwischen dir und Rinaldo sehr wehgetan. Isabella, du bist mutig, tapfer und hast ein großes, gütiges Herz. Aber du kannst schwer verzeihen. Das ist dein Verhängnis, denn das Leben ist zu kurz, um es als beleidigte Leberwurst zu verplempern.“
    Isabella lachte lauthals los. „Stimmt. Ich werde mich ändern.“ Bei sich aber dachte sie, dass Barbaras Schandtat nie unterm Schnee begraben würde.
             
     
    55
     
    Isabella hielt Wort. Nachmittags tollte sie mit ihren Söhnen Alexander, Wilhelm und Christian und den Kindern von Barbara durch den Schnee, dass es eine Lust war. Karina schloss sich an. Sie bauten einen Schneemann, so groß und mächtig war, dass sein Kopf das gesamte Zigeunerlager überragte.
    „Er passt auf, dass uns nichts geschieht, nicht wahr, Tante Isabella?“, sagte Winfried. In seiner Stimme schwangen Zweifel und Angst mit. Sie schaute ihn nachdenklich an. Wovor fürchtete sich der Junge? Was hatte die empfindsame Seele so verstört, dass Isabella blanke Furcht aus seinen Augen entgegenschrie? Beruhigend zog sie ihn an sich, küsste seine rot gefrorenen Wangen und erklärte: „Ja, Winfried, der Schneemann ist der Hüter unserer Sicherheit. Der lässt keine Fremden auf unser Grundstück.“
    „Will er die mit dem Reisigbesen verjagen?“
    „Und ob. Da nimmt jeder Schurke Reißaus. Und wenn das nicht hilft, lässt er die Löwen, Bären und Wölfe aus ihren Gehegen. Die beißen den Angreifer tot.“ 
    „Dann ist es gut“, versicherte der Knabe und seifte Isabella bei der anschließenden Schneeballschlacht gehörig ein.
    Als es zu dämmern begann, trudelte die Schar pitschepatschenass im Lager ein. Völlig aufgekratzt vom wilden Herumtoben, berichteten sie mit geröteten Gesichtern und leuchtenden Augen, wie toll der Nachmittag gewesen sei und dass Isabella und Karina morgen wieder mit allen Kindern das
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