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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Brown
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setzte sich auf die Bettkante und strich mir übers Haar. »Alles wird gut!«
    »Wieso bist du dir da so sicher?«, fragte ich. »Woher willst du wissen, dass alles gut wird? Das kannst du überhaupt nicht beurteilen. Letzten Mai war überhaupt nichts gut in meinem Leben, aber du hattest keine Ahnung.« Ich zwang mich aufzustehen. Mir war eng um die Brust und ich hatte das Gefühl, ich würde gleich in Tränen ausbrechen.
    Sie saß da und hielt sich am Telefon fest. »Ich weiß eseinfach, Valerie. So einen Tag wird es nicht noch einmal geben, Liebling. Nick ist   … er ist weg. Zieh dich nicht selber runter, ja?«
    Zu spät. Ich war schon ganz unten. Je länger sie hier an meinem Bett saß und mir auf die gleiche Art über die Haare strich, wie sie es getan hatte, als ich noch klein war, und je länger ich das Parfüm einsog, das für mich ihr »Karriere-Parfüm« war, desto wirklicher wurde das Ganze. Ich musste zurück in die Schule.
    »Wir waren uns doch alle einig, dass es so am besten ist, Valerie, weißt du nicht mehr?«, sagte sie. »Wir haben bei Dr.   Hieler zusammengesessen und beschlossen, dass Weglaufen keine Lösung für unsere Familie ist. Du fandest das auch. Du hast gesagt, Frankie sollte nicht leiden müssen wegen dem, was passiert ist. Und dein Vater hat seine Kanzlei   … sie aufzugeben und anderswo neu anzufangen wäre finanziell furchtbar schwer   …« Sie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    »Mom«, setzte ich an, aber mir fiel nichts ein, was ich vorbringen konnte. Sie hatte recht. Ich hatte selbst gesagt, dass Frankie seine Freunde nicht verlieren sollte, dass es nicht okay wäre, wenn er in eine andere Stadt ziehen müsste, nur weil er mein kleiner Bruder war. Und dass auch Dad nicht gezwungen sein sollte, anderswo noch mal von vorn anzufangen, nachdem er so viel Arbeit in seine Kanzlei gesteckt hatte. Ich selbst wiederum hatte auf keinen Fall mit einem Lehrer für mich allein zu Hause festsitzen wollen, und noch viel weniger wollte ich ausgerechnet im Abschlussjahr die Schule wechseln. Darum hatte ich gesagt, dass Wegziehen für mich das Allerletzte wäre – nie würde ich mich davonschleichen wie eine Kriminelle,wo ich doch gar nichts verbrochen hatte. »Und es ist ja auch nicht so, als wüsste anderswo keiner, wer ich bin«, hatte ich gesagt und mit den Fingerspitzen Linien auf die Sofalehne in Dr.   Hielers Büro gemalt. »Eine Schule, wo noch niemand von mir gehört hat, gibt’s praktisch nicht. An einer neuen Schule würden sie mich wie eine Aussätzige behandeln. An der Garvin High weiß ich wenigstens, was mich erwartet. Und wenn ich jetzt abhaue, fühlen sich alle bestätigt, dass ich schuldig bin, das kommt noch dazu.«
    »Es wird schwer werden«, hatte mich Dr.   Hieler gewarnt. »Du musst ziemlich vielen Drachen ins Auge sehen.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Als ob das was Neues wär. Damit komm ich schon klar.«
    »Bist du dir sicher?«, hatte Dr.   Hieler gefragt und mich mit zusammengekniffenen Augen skeptisch angeschaut.
    Ich hatte genickt. »Es ist einfach nicht fair, dass ich weggehen soll. Ich schaff das schon. Und wenn es komplett schiefgeht, kann ich am Ende vom Halbjahr immer noch wechseln. Aber ich krieg das hin. Ich hab keine Angst.«
    Doch das war jetzt lange her – der Sommer hatte damals noch vor uns gelegen und ich hatte das Gefühl gehabt, er würde ewig dauern. Zu diesem Zeitpunkt war »zurückgehen« nur eine Vorstellung gewesen, aber noch keine Realität. An die Vorstellung glaubte ich immer noch. Ich trug keine Schuld außer der, dass ich Nick geliebt und die Leute gehasst hatte, die uns quälten, und ich wollte mich auf gar keinen Fall vor Leuten verstecken, die mir die Schuld für etwas ganz anderes gaben. Doch jetzt,wo es darum ging, meine Vorstellung in die Tat umzusetzen, hatte ich nicht nur Angst, sondern echte Panik.
    »Du hast den ganzen Sommer Zeit gehabt, um es dir anders zu überlegen«, sagte Mom, die immer noch auf meinem Bett saß.
    Ich kniff die Lippen zusammen und ging rüber zu meiner Kommode. Dort schnappte ich mir eine saubere Unterhose und einen BH, dann kramte ich auf dem Boden nach Jeans und einem T-Shirt . »Na gut. Ich mach mich fertig«, sagte ich.
    Zu sagen sie hätte in diesem Moment gelächelt, träfe es nicht ganz. Was sie tat, ähnelte zwar einem Lächeln, aber es lag zu viel Schmerz darin. Sie wollte aufstehen und rausgehen, schaffte es aber erst einmal nicht. Dann gab sie sich einen Ruck und tat es
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