Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Brown
Vom Netzwerk:
Liste der Opfer. Ganz hinten aus meinem Hals stieg ein kleiner Ton und ich bedeckte meinen Mund mit den Händen. Diesmal konnte ich nicht verhindern, dass mir die Tränen liefen, vor allem als sie Nicks zerfledderte alte
Hamlet
-Ausgabe in die Zeitkapsel legte, aus der er mir so oft vorgelesen hatte.
    Ich hörte kaum, wie sie sagte: »Valerie Leftman ist eine Heldin. Sie hat mehr Mut als irgendwer sonst, den ich je gekannt habe – die Kugel, die sie traf, gehört dabei noch zu den weniger beängstigenden Sachen, denen sie im vergangenen Jahr ins Auge sehen musste. Valerie hat im Alleingang mein Leben gerettet und den Amoklauf vom zweiten Mai 2008 beendet, bevor es noch mehr Opfer gab. Ich bin glücklich, sie meine Freundin nennen zu dürfen. Valerie übergibt uns für die Zeitkapsel ein Buch mit Zeichnungen.« Sie zog mein schwarzes Notizbuch hervor und ließ es auf Nicks
Hamlet
-Ausgabe fallen. Meine Wirklichkeit und Nicks Zuflucht   … eins auf dem anderen.
    Zuerst klatschte niemand, als Jessica sich bei den Zuhörern bedankte und wieder Platz nahm. Doch dann brandete wilder Applaus auf, der immer lauter wurde und in ein rhythmisches Klatschen mündete. Ein paar standen sogar von ihren Stühlen auf.
    Ich drehte den Kopf nach hinten und schaute: Mom und Dad klatschten beide und wischten sich die Augen. Dr.   Hieler stand vor seinem Stuhl und ließ seine Tränen einfach laufen.
    Irgendwann betrat Mr Angerson wieder die Bühne und holte uns zurück auf den Boden der offiziellen Abschlussfeier, zurück ins Leben, das weitergehen musste.
    Ich dachte an den Koffer, der offen auf meinem Bett lag. An meine Sachen, die fast fertig gepackt waren. Da war das Bild von mir und Nick, wie wir am Blue Lake auf dem Felsen sitzen, irgendwo zwischen meiner Unterwäsche und meinen BHs verborgen. Und das Buch, das Dr.   Hieler mir geschenkt hatte:
Mut zur Angst
hieß es – ich solle immer gut auf mich aufpassen, hatte er gesagt, alser es mir gab. Außerdem noch der Stapel Telefonkarten, den mir Dad letzten Samstag wortlos in die Hand gedrückt hatte, als er Frankie abholte. Und die College-Broschüren, die ich von Mrs Tate bekommen hatte.
    Ich dachte an den Zug, mit dem ich am nächsten Morgen aufbrechen wollte – mit unbekanntem Ziel   –, und daran, wie Mom am Bahnhof wahrscheinlich in Tränen ausbrechen und mich noch einmal anflehen würde, nicht zu fahren, zumindest nicht ohne einen klaren Plan. Daran, wie erleichtert Dad sicher aussehen würde, wenn ich am Fenster stand und winkte, und wie er nach der Abfahrt des Zuges immer kleiner und kleiner werden würde. Und ich würde ihm seine Erleichterung nicht einmal vorwerfen, falls es wirklich so wäre.
    Ich malte mir aus, was ich wohl alles verpassen würde, während ich weg war. Würden Mom und Mel heiraten, ohne dass ich dabei war? Wäre ich nicht da, wenn Frankie seinen ersten Job bekam, vielleicht als Rettungsschwimmer im Freibad in unserem Viertel? Würde ich die Ankündigung verpassen, dass Briley schwanger war? Würde ich das alles versäumen und hätte ich, wenn ich später von diesen Dingen hörte, das Gefühl, meine Familie hätte zumindest das verdient – dass ich nicht da war in diesen glücklichen Zeiten?
    »Bist du dir ganz sicher?«, hatte Dr.   Hieler mich in unserer letzten Stunde gefragt. »Hast du genug Geld?«
    Ich nickte. »Und Ihre Nummer hab ich auch.« Aber ich glaube, wir wussten beide, dass ich ihn niemals anrufen würde, nicht einmal, wenn ich mit Schmerzen im Bein in einem finsteren, muffigen Hostel aufwachte und Nicks Stimme in meinen Ohren widerhallte. Nicht einmal, wennmein Hirn endlich zuließ, dass ich mich ernsthaft an das undeutliche Bild von Nick erinnerte, wie er sich vor meinen verschwimmenden Augen eine Kugel ins Hirn gejagt hatte. Nicht einmal, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren, ihm Frohe Weihnachten zu wünschen oder um
Alles in Ordnung
zu sagen oder
Helfen Sie mir
.
    Er hatte mich umarmt und sein Kinn auf meinen Kopf gelegt. »Es wird alles gut gehen«, hatte er geflüstert und ich hatte mich gefragt, ob er es sich selbst zuflüsterte oder mir.
    Und ich war nach Hause gegangen, hatte gepackt und den Koffer danach offen auf meinem Bett liegen lassen, direkt neben den Pferden auf der Tapete, die sich nicht rührten – was sie natürlich auch vorher nie getan hatten.

DANKSAGUNG
     
     
    Zuallererst ein tief empfundener Dank an Cori Deyoe, dafür, dass sie sich auf mich eingelassen hat, dass sie mir Mentorin und Freundin ist, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher