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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Brown
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Mom jetzt wieder viel mehr, was ihn in meinen Augen zu einem wirklich tollen Typen machte.
    »Na ja, die Recherche ist jedenfalls abgeschlossen«, sagte ich. »Ich habe jetzt alle Interviews.«
    Er nickte zufrieden.
    »Ich hab dir was vom Abendessen aufgehoben«, sagte Mom. »Es steht im Backofen.«
    »Nein danke«, sagte ich. »Jess und ich haben schon wasgegessen.« Ich ging hinüber zum Sofa und stellte mich hinter sie. »Ich glaub, ich geh gleich schlafen.« Ich gab Mom einen Kuss auf die Wange – zum ersten Mal seit Jahren. Überrascht blickte sie mich an. »Gute Nacht, Mom«, sagte ich und ging zur Treppe hinüber. »Gute Nacht, Mel.«
    »Gute Nacht«, rief Mel so laut zurück, dass er Moms Stimme übertönte.

 
    Aufgedreht platzte ich in meine letzte Stunde mit Dr.   Hieler.
    »Ich glaub, ich kapiere so langsam, wer ich bin«, verkündete ich mit einem breiten Lächeln, während ich mich auf das Sofa fallen ließ und meine Coladose aufriss.
    »Wer bist du?«, fragte Dr.   Hieler mit einem Grinsen im Gesicht. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und legte wie immer ein Bein über die Lehne.
    »Na ja, ich meine   … Ich weiß, das klingt jetzt blöd, aber ich glaube, mit all diesen Leuten zu reden hat mir irgendwie ins Gedächtnis zurückgerufen, wer ich wirklich bin.«
    »Und wer bist du? Wer ist dieses Du, an das du dich wieder erinnert hast?«
    »Tja«, sagte ich. Ich stand auf und begann, hin und her zu laufen. »Um mal damit anzufangen: Ich bin gern in die Schule gegangen. Es hat Spaß gemacht, mit meinen Freunden rumzuhängen und zu Schulbasketballspielen zu gehen und so. Ich bin schlau und ehrgeizig gewesen, wussten Sie das? Ich wollte auf jeden Fall studieren.«
    Dr.   Hieler nickte und legte seinen Zeigefinger an die Lippen. »Gut«, sagte er. »Ich würde alldem zustimmen.«
    Ich hörte auf herumzulaufen und setzte mich wieder aufs Sofa, noch immer aufgeregt und voller Energie. »Und die Hassliste war echt. Ich war wirklich wütend. Ich habe das nicht nur für Nick gemacht. Na ja, ich war wohl nicht ganz so wütend wie er, wissen Sie, ich hab nicht mal kapiert,
wie
wütend er war. Aber ich war auch wütend. Die andern waren wirklich fies und gemein, dauernd haben sie auf uns rumgehackt und uns beschimpft   … und dann meine Eltern, mein ganzes Leben   … alles kam mir total beschissen und sinnlos vor und ich war einfach stinkwütend. Kann sogar sein, dass ich damals wirklich irgendwie selbstmordgefährdet war, ohne es zu merken.«
    »Das ist gut möglich«, sagte er. »Du hattest ja auch allen Grund, wütend zu sein.«
    Ich sprang wieder auf. »Kapieren Sie denn, worum’s mir geht? Ich hab das nicht nur gespielt. Nicht ganz jedenfalls.« Ich drehte mich weg und blickte zum Fenster hinaus. Dunst waberte um die Autos auf dem Parkplatz. »Immerhin hab ich nicht nur so getan als ob«, sagte ich und starrte auf die Wassertropfen, die sich oben auf den Kühlerhauben absetzten. »Immerhin hab ich mich nicht verstellt.«
    »Ja«, sagte er. »Aber kannst du einen Flickflack?«
    »Nein, kann ich immer noch nicht.«
    »Echt? Ich schon.«
    »Können Sie nicht. Sie sind ein Lügner.«
    »Aber ein guter«, sagte er. »Und ich bin stolz auf dich, Val. Ungelogen.« Dann gingen wir rüber zum Schachbrett, wie jedes Mal. Und er besiegte mich, wie jedes Mal.

 
    »Schon klar, du willst nicht, dass ich gleich in Begeisterung ausbreche«, sagte Mrs Tate. Vor ihr auf dem Schreibtisch lag ein halb aufgegessener Donut. Der Kaffee in ihrer Tasse dampfte. Es roch gut in Mrs Tates Büro so früh am Morgen. Es roch haargenau so, wie Aufwachen riechen sollte – üppig und hell und behaglich. »Aber ich kann nicht anders. Diese Neuigkeit begeistert mich eben.«
    »Das ist gar keine Neuigkeit«, sagte ich schläfrig von meinem Platz ihr gegenüber am Schreibtisch. »Ich sag doch bloß, dass ich diese Broschüren jetzt gern mitnehmen würde. Für später.«
    Sie nickte enthusiastisch. »Natürlich! Für später, klar, überhaupt kein Problem. Das wird dir keiner ankreiden. Später ist doch total in Ordnung. Wie viel später meinst du?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. So lange, wie es eben dauert. Ich brauch ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Aber Sie haben recht, ich habe immer aufs College gehen wollen und ich sollte festhalten an diesemPlan. Er gehört zu der Person, die ich bin.« Jetzt, wo mir klar geworden war, wer ich
nicht
war, lag mir viel daran, mich immer wieder selbst daran zu erinnern, wer
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