Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
zu verschleiern. Auch wenn es einen Unschuldigen wie Pavel Samson das Leben kosten könnte. Der Gedanke ist mir plötzlich gekommen. Vielleicht ist es auch nur eine Theorie.«
    »Theorien sind was für Akademiker. Dafür werden sie bezahlt. Du und ich leben in einer etwas konkreteren Wirklichkeit.«
    Er wollte seinen Arm zurückziehen, aber Toftlund hielt ihn fest, obwohl er in Gelberts Augen sah, daß sie langsam an einen Punkt kamen, an dem der Chauffeur noch etwas anderes als bloß sein Chauffeur sein würde.
    »Du warst einmal Akademiker.«
    »Den Luxus kann ich mir nicht mehr leisten.«
    »Wenn also die ganze Geschichte von Irma und Mira nur eine alte Sache ist, die heute keine Bedeutung mehr hat, sondern nur durch einen Zufall plötzlich wieder aktuell wurde, oder wenn sie vielleicht gelegen kam, weil das Neumitglied Polen sie vielleicht gebrauchen konnte, um nicht selbst in die Schußlinie zu geraten. Daran habe ich eben gedacht, Konstantin. Du sitzt noch nicht lange auf deinem Stuhl, da konntest du den Stall, den du geerbt hast, noch nicht ganz ausmisten. Und kurz vor den EU-Verhandlungen und der Integration in die NATO wäre es natürlich gar nicht gut, wenn hinter Polens Loyalität ein Fragezeichen gesetzt werden müßte. Das kann keiner gebrauchen, oder?«
    »Ich muß mein Flugzeug erreichen. Es gibt keinen serbischen Spion. Guck in die Zeitungen. Das ist die offizielle Nachricht aus Washington.«
    »Und das glauben wir beide natürlich.«
    »Vergiß die Sache, Per. Der Krieg ist gewonnen, die Vergangenheit ist tot, am wichtigsten ist die Zukunft. Es geht um ein neues Europa. Ein anderes und besseres Europa. Eines für uns alle zusammen.«
    Toftlund hielt Gelberts Arm umklammert und drückte ein wenig fester.
    »Ist es in Wahrheit vielleicht ein Pole gewesen, der den Serben die Informationen verraten hat? Ja, Konstantin? Er hat nicht das geringste mit dem zu tun gehabt, womit ich mich herumgeschlagen habe, aber mein Fall hat die Aufmerksamkeit von dem weggelenkt, worum es eigentlich ging. Ist nur so ein Gedanke, der mir auf einmal durch den Kopf geschossen ist. Daß du in der Schlußphase womöglich mehr gesteuert hast, als mit bloßem Auge zu erkennen ist.«
    Gelbert machte sich los, setzte sich demonstrativ auf den Rücksitz und legte die Hand auf den Griff, hielt die Tür aber noch offen.
    »Die liebe Frau Vuldom hat an das gleiche gedacht. Sie bat mich, dich zu grüßen. Sie hofft, du genießt deinen Urlaub.«
    »Danke. Was habt ihr beschlossen?«
    »Wir wünschen uns beide auch weiterhin eine fruchtbare Zusammenarbeit. Ein gemeinsames Verständnis dafür, daß wir in einer schwierigen Zeit leben, in der es gilt, den Friedensbonus, den wir wunderbarerweise erreicht haben, zu konsolidieren. Ein Wissen darum, daß der Frieden, der von Menschen geschaffen wurde, leicht wieder von Menschen zerstört werden kann.«
    »Das hört sich sehr einfach an«, sagte Toftlund.
    »Spielst du Schach, Per?«
    »Schlecht.«
    »Ich spiele es gut. Es ist ein Spiel für Menschen, die immer mehrere Züge im voraus denken. Dann weiß man nämlich, daß es hin und wieder nötig ist, einen oder zwei Bauern zu opfern, ja, sogar einen Offizier.«
    »Du spielst für Polen.«
    »Ich habe dir in Warschau gesagt, daß sich für uns ein Fenster der Möglichkeiten aufgetan hat. Ich bin nicht dafür angestellt worden, es wieder zu schließen, sondern dafür zu sorgen, daß es offenbleibt.«
    Er wollte die Tür zuziehen. Toftlund hielt sie fest, aber Gelbert sagte:
    »Bis bald, Per. Dann können wir uns über das Mögliche unterhalten, das Erreichbare, die Träume, das Realisierbare, die Korruption der Macht und über die philosophische und praktische Notwendigkeit, in seiner Freizeit die großen Fragen des Lebens und die Notwendigkeit der Moral im Dienste der Macht zu diskutieren. Aber jetzt muß ich wirklich meine Maschine erreichen.«
    »Das ist doch Scheiße, Konstantin. Was macht ihr denn mit ihm? Wenn ihr wißt, wer es ist.«
    »Oh, das wissen wir. Heute wissen wir’s.«
    »Und dann?«
    »Dann ist die Sache aus der Welt. Er verschwindet.«
    »Und wie fühlst du dich damit?«
    »Was für eine kindische Frage. Ich bin nicht ich. Ich bin das Interesse Polens. Alles andere ist etwas, das meinen Garten angeht, um den ich mich heutzutage viel zu selten kümmern kann. Aber die Zeit, die mir fehlt, die hast du im Augenblick. Also, mein Freund, kümmere dich um deinen Garten.«
    Toftlund ließ die Tür los, und Gelbert zog sie mit einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher