Die Gutachterin
besteht darauf, daß sie dabei ist. Bei dem Haufen von Überstunden, die ich vor mir herschiebe, kann ich mir freinehmen. Und soll ich dir noch was sagen – Karla …«
»Hör auf mit deiner Karla.«
Sie wollte nichts von Karla hören. Sie war kein Thema mehr. Es hatte Zeiten gegeben, da hatten sie sich stundenlang darüber unterhalten. Sie waren vorüber … Es war ein Problem, das so uralt war wie banal. Isabella hatte es damit überspielt, daß sie sich sagte: Na und? Eine zweite Ehepleite in deinem Leben darf es sowieso nicht geben, also – was ist angebrachter für die Seele und die Hormone einer Sechsunddreißigjährigen als die Rolle der Gelegenheitsgeliebten? Vor allem, wenn die andere Rolle noch besetzt ist mit einem gutaussehenden, intelligenten (›brillanten‹, sagen sogar viele) Mann wie Richard Saynfeldt?
Die Rechnung war nie aufgegangen. Wie die meisten Rechnungen dieser Art.
Und Karla …?
Isabella hatte Richards Frau zum ersten und einzigen Mal erlebt, als sie wie unter einem Zwang zu einer Gemäldevernissage lief, zu der auch Karla eingeladen war. Und sie hatte genau ihrer Vorstellung entsprochen, mit den Brillanten im Ohr, dem Schmuck am Hals und dem Leidensgesicht mit den herabhängenden Mundwinkeln. Sie war gleich wieder gegangen, mit einem Gefühl des Mitleids im Herzen. Die Frau tat ihr leid. Sie erkämpfte sich mit dem unerbittlichen Selbstmartyrium der Fitneß- und Sonnenstudios ihre Anerkennung im Juristenklan der Saynfeldts und bestand gleichzeitig darauf, an den Namen Saynfeldt noch ihren Mädchennamen anzuhängen, Karla Saynfeldt-Röder – denn die Röders, nicht wahr, kannte man schließlich gleichfalls, wenn auch nur in Hamburg …
Isa hockte sich hin, umschlang ihre Knie mit beiden Armen und zog sie an sich, als fröstle sie …
* * *
Als Isa am nächsten Tag erwachte, war es kurz nach zehn. In der Halle standen die Koffer; Richard hatte ihren ebenfalls gepackt. Er saß in der Küche, trank Kaffee und lächelte ihr entgegen.
»Na?« Beifallheischend deutete er auf die volle Kaffeekanne und auf den Korb mit frischen Croissants. Er hatte nicht nur den Porsche geholt, er hatte auch gleich noch Croissants und frische Brötchen mitgebracht.
Sie fühlte sich außerstande, seinem erwartungsvollen Blick zu begegnen, senkte nur den Kopf und trank heißen Kaffee. Schulterzuckend widmete er sich wieder der Zeitung, die vor ihm auf dem Tisch lag. Er mußte sie ihr aus der Tasche genommen haben. Es war die Frankfurter Rundschau von gestern.
»Hast du das gelesen?«
»Was denn?«
»Na was? Die Sache mit deinem Kreuz-Mörder.«
»Wieso …? Was heißt denn ›mein‹ Kreuz-Mörder?«
»Na, wenn nicht deiner, dann vielleicht meiner. Das passierte alles im Spessart. Da könnte das Frankfurter LG zuständig werden, meine Liebe … Was schaust du mich so an? Mit dem Fall hast du doch jede Menge Publicity gemacht.«
»Publicity«, wiederholte sie wütend. »Laß mich mit so einem Unsinn in Frieden. Ich kann dir nur eines sagen, Richard: Diesmal war das letztemal. Hierher, in dieses Haus komme ich nie wieder.«
»Was …? Aber wieso denn?« Er schien ehrlich verblüfft.
»Richard, weißt du, was wir brauchen?«
Er sah sie an.
»Eine Pause«, sagte sie. »Eine ziemlich große. Eine Pause, in der du dir überlegen kannst, ob es richtig ist, mich wie eine Bahnhofsnutte zu behandeln.«
* * *
Es war zwölf Uhr zehn und der Himmel noch ziemlich grau, doch der Regen wollte nicht herunterkommen, die Wolkendecke blieb hoch, und über dem Wald lag ein wäßriger Glanz.
Konnarz steuerte den BMW; seinem Wagen folgte Tim Rister im Passat. Er hatte das Datensichtgerät an Bord.
Berling betrachtete seine Fingernägel. Sein Gespräch mit Herbertsheimer lag nun genau vierzig Minuten zurück. Die Aussicht, Ladowsky heute noch auf eigene Faust zu schnappen, schätzte er gering ein – falls der Mörder überhaupt Ladowsky war. Gerade daran hatte er noch immer seine Zweifel.
»Wie ist das, hast du nicht Hunger?«
»Ich?«
»Klar hast du«, bestand Konnarz. »Ich kenn' dich doch. Bist ständig am Pfefferminzbonbons kauen. Wenn du das machst, hast du immer Hunger.«
Es war die Strategie des Dicken, anderen Hunger einzureden, damit er selbst ans Futter kam.
»Hör mal, Tom, das Handschuhfach – mach mal auf.«
Klar, das Handschuhfach. Berling öffnete. Richtig, da lag die Plastikschachtel mit den geliebten Salamibrötchen.
Der Kreuz-Mörder? dachte er wieder, und in diesem Augenblick sprach
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