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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe
Autoren: Isabella Falk
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Hand.
    »Gegrüßet seist Du, Maria.«
    Das Gebet ging von Mund zu Mund. Sie stimmten ein, die Frauen und die Männer. Sie knieten und beteten.
    Der Richter und die Gerichtsdiener beeilten sich, den Marktplatz zu verlassen, doch die Menschen blieben.
    Evženkas Ruf erscholl, klagend und siegreich zugleich, sie starb, und die Menschen beteten.
    Veit hörte noch die halbe Nacht das Wimmern und Heulen der Hunde und auch die Wölfe im fernen Wald schienen in die Trauer einzustimmen.
     

Teil 1
     
    1. Kapitel
    Frühjahr 1708
     
     
     
    A malia schloss das Buch, in das sie seit einiger Zeit blickte, ohne ein Wort entziffert zu haben. Sie erhob sich von der Bank und schritt ziellos an der Schlossmauer entlang. Für heute waren Gäste angemeldet. Graf Wenzel von Falkenstein, ein alter Freund ihres Vaters, war mit großem Gefolge auf dem Weg zum Schloss. Dabei handelte es sich keineswegs um einen Höflichkeitsbesuch, im Gegenteil. Wenn sie nur an den Grund dachte, wurde ihr flau im Magen.
    Sie selbst war der Anlass seiner Reise, denn sie war bereits über achtzehn Jahre alt.
    »Eine alte Jungfer!« Eine Behauptung ihrer gestrengen Mutter, der Fürstin Walpurga, mit der sie ihrem Drängen stets mit schriller Stimme Nachdruck verlieh. »Amalia Eleonore Charlotte von Torgelow, du wirst dich verheiraten!«
    Den Kopf schwer von düsteren Gedanken erklomm Amalia einen Baumstumpf, von dem aus sie über die Wehr blicken konnte. Ihr treuer Gefährte Quintus, der seit seiner denkwürdigen Geburt jede Gelegenheit nutzte, an ihrer Seite zu sein, legte seinen Kopf auf die Mauer. Amalia streichelte dem riesenhaften Hund über das zottige, graue Fell.
    Mit Beginn seines Lebens war das ihre endgültig zerstört worden. Alles, was ihr seit diesem Tag geschehen war, hatte mit seiner Geburt zu tun gehabt. Dennoch liebte sie den Hund. Sie rieb ihren Kopf am struppigen Fell des Tieres und sog den würzigen, erdigen Duft auf. Mit geschlossenen Augen überließ sie sich den Bildern, die auf sie einströmten.
    Der Tag, der sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte, war ein lauer Vorfrühlingstag. Erste Blüten trotzten der Kälte, auf dass der Winter endlich zu Ende gehen mochte. Amalia saß am Fenster und stickte.
    Sie war mit ihrer Mutter und dem Priester allein im Schloss, der Fürst weilte in Wien am Hofe des Kaisers, wohin er sie, seitdem ihre Mutter ein Machtwort gesprochen hatte, nicht mehr mitnehmen durfte. Da war sie gerade zwölf Jahre alt geworden und Walpurga hatte endgültig ihre strenge Hand über sie ausgestreckt. Vater verwöhne sie zu sehr, unter seiner Fürsorge sei sie verwildert, lautete die Erklärung der Fürstin, vom Priester seit Jahren gestützt.
    So sollte Amalia fortan nahezu alles verboten sein, was sie liebte. Dazu zählte vor allem der Umgang mit den Hunden. Erlaubt war nur noch der geliebte Unterricht, Beten und Sticken.
    Amalia sah sich mit durchgestrecktem Rücken auf einem harten Holzstuhl sitzen, die Handarbeit in den Fingern. Nach wenigen Stichen ließ sie die Nadel sinken. Sie hatte sich verzählt. Seufzend arbeitete sie das letzte Stück wieder auf und begann von vorn, nur um erneut den Rahmen aus der Hand zu legen. Etwas beunruhigte sie, zog an ihr. Eine dunkle Ahnung. Sie stand auf, trat näher ans Fenster, blickte hinaus in die Nacht, in der es nichts zu erkennen gab. Mit dem seltsamen Gefühl, das sie beschlich, wusste sie nichts anzufangen.
    Erneut nahm sie die Stickerei zur Hand, doch vergebens. Die Nadel wollte sich nicht durch den dünnen Stoff bewegen und Amalias Herz verkrampfte sich. Ihr schien, als drängte ein Ruf in ihre Ohren. Ohne Worte, ohne Stimme – leidvoll und lautlos.
    Wie in Trance stand sie auf und folgte dem Klang, der sie aus der Kammer führte, hinaus auf den Hof, bis hin zu den Zwingern. Hier nun hörte sie zum ersten Mal, was sie die ganze Zeit mit dem Herzen empfunden hatte: Die Hündin Artemis, eine der Zuchthündinnen ihres Vaters, wimmerte in allerhöchster Not.
    Amalia betrat den Stall. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, dann erkannte sie mit einem Blick die Notlage der Kreatur. Die entkräftete Hündin lag auf ihrem Strohlager. Neben ihr purzelten vier noch blinde Welpen durcheinander. Drei mit sauber gelecktem Fell und eines, das noch halb in seiner Eihülle steckte. Artemis bäumte sich auf, machte einen Buckel, der bis in die Schwanzspitze hinein zitterte, und sank ermattet zusammen, einzig, um im nächsten
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