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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
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raffte sie die Ärmel ihres Kleides in der Wärme und war froh, dass sie heute nicht zum Fischmarkt am Rhein hinunter musste.
    Durch die Sackpfeifergasse nahm sie die Abkürzung zum Weberviertel. Ein weißes Kätzchen sprang an einer Mauer hoch und setzte sich lauernd unter den Käfig, der vor einem höher gelegenen Fenster hing, den bunten Spatzen darin schien es nicht zu stören. Manche Leute schworen drauf, dass die Vögel das Wetter vorausahnten. Aurelia mochte die Gasse einfach, weil es in ihr herrlich wie in einem Frühlingswald zwitscherte. Und seit die Entscheidung endlich gefallen war, erschienen ihr die Tage so leicht.
    »Vorsicht, ihr Leut’, Vorsicht!« Ein Knecht trug auf einer Hippe hochaufgetürmte Ballen.
    Sie ging am Sankt-Moritz-Kirchhof entlang. Gegenüber säumten die Läden der Taschner die Einmündung zur nächsten Gasse. Dort hatte sie Romuald das erste Mal wirklich wahrgenommen, im vorletzten Frühjahr, als das Aprillicht so luftig und heiter gewesen war.
    Romuald hatte damals mit einem Händler gestritten. Die Taschner waren die habgierigsten von allen. Jeden Zoll Leder wollt ihr versilbert sehen, hatte Romuald geschimpft, so laut, dass sie es bis in die Gasse gehört hatte, wo sie jetzt wieder stand. Romuald hatte sein Hemd abgelegt, weil er für einen dreifachen
Schulterschutz hatte Maß nehmen lassen. Die Taschner schmierten die Waren immerzu mit Fett ein, so glänzend wie Romualds dunkles Haar. Mit jedem Riemen, den er um sich schlang, war Aurelia wärmer im Bauch geworden. So geschmeidig hatte er sich gewunden und sie dabei scheu angelächelt, als er sein Hemd wieder übergeworfen hatte.
    Wie aufgeregt war sie gewesen, als sein Blick plötzlich den ihren gekreuzt hatte. Seine dunklen Augen waren nicht von ihr gewichen, als er sein Hemd in die Hose stopfte. Sie war weitergeeilt, und er hatte sich immer noch nach ihr umgedreht. Und doch war sein Blick anders als der gewesen, mit dem sie die Jünglinge verfolgten, seit sie kaum zwölf Jahre alt gewesen war. Ihr erdbeerblond leuchtendes Haar erregte Aufmerksamkeit. Romualds Blick war ernst gewesen, wie gebannt von einer Macht, der er sich gar nicht ergeben wollte. Doch er hatte nicht entkommen können, so wenig wie Aurelia. Noch im Weglaufen hatte sie den Kopf mehrfach nach ihm umgewandt.
    Sie hatte nicht gewusst was sie tun sollte, weil Romuald mit den Gurten in der Hand hinter ihr hergelaufen war, bis er sie in der Ecke vor dem Barfüßerkloster eingeholt und sie angesprochen hatte.
    Du erschrickst ja, ach Herr im Himmel. Dabei war ihm sein scheues Lächeln misslungen. Warum läufst du mir nach? Nicht einmal richtig aufgeschaut hatte er, so schüchtern hatte er geantwortet: Ich heiße Romuald. Ihr Hauchen war ihr so feige vorgekommen. Und ich Aurelia . Sein dunkler Blick hatte sie seltsam gestreift, als er anfügte: Aureus bedeutet golden, nicht wahr? Da hatte sie nur nicken können. Ein Maultier war zwischen sie getrottet, ein Bauer hatte auf das Tier eingedroschen, Dreck war hochgespritzt. Als Aurelia wieder aufgeschaut hatte, war Romuald verschwunden und nur die Auslagen der Zwirnshändlerinnen hinter dem Leusbrunnen hatten noch in der Sonne geleuchtet. So wie jetzt.

    Sie seufzte leise. Seitdem begleitete sie das Bild Romualds, bei der Rast und bei der Hausarbeit. Und in den Nächten, wenn die schwüle Luft vom Rhein her auf die Kammern drückte, gar noch mehr.
    Aurelia ging langsam an den Auslagen entlang. Sie brauchte feinen roten Zwirn für die neuen Hauben und Hemden, die Vater für die Verlobung gekauft hatte, nachdem der Vermittler vorgestern endlich zu Hause erschienen war. Ein paar vornehme Stickereien wollte sie noch aufbringen lassen.
    Sie lief rasch hinüber zur Quandtin, die den festesten Faden der Stadt verkaufte. Die Alte saß mit einer gefältelten Haube hinter ihrem Brett und wärmte die dicken Unterarme in der Sonne. »Na mein Goldkind, was führt dich zu mir?« Die Backen im lachenden Gesicht der Quandtin schimmerten rosig.
    Als ob sie es nicht genau wüsste, wo sie tagaus, tagein mit den Frauen schwatzte. »Ich suche einen roten Zwirn für eine Stickerei auf einem Feiertagshemd.«
    »Für dich oder den Herrn Vater?« Ihre weichen Finger stapelten schon die Körbchen voller Zwirnswickel.
    »Für uns beide.« Aurelia beugte sich über die karminroten Garne, die ihr die Quandtin zuschob.
    »Schau. Die linken da sind aus Seide mit Leinen gedreht, die sind besser für Leinenstickerei, wenn du das Bildwerk außen trägst.
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