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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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konnte, müsste er entsetzt feststellen, dass der Yarlpanzer sank.
    Das Wasser stand nun so hoch, dass es Herzog Krudes Körper bedeckte. Mythor schnallte in fiebernder Hast seinen Gürtel ab und hob Krudes Kopf über Wasser. Der Herzog schien kurz zu sich zu kommen. Denn aus seinem Mund ergoss sich gurgelnd ein Wasserschwall. Er gab ein krächzendes Geräusch von sich, dann sackte sein Kopf kraftlos auf Mythors Schulter.
    Ein Blitz folgte nun dem anderen. Der Donner rollte endlos lange über das wolkenverhangene Weltengewölbe, und mit jedem Blitz erreichte das Grollen einen neuen Höhepunkt.
    Nyala schrie. Mythor hatte zuvor noch nie einen Menschen so schreien hören. Ihr nach oben gerichtetes Gesicht war dabei bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, ihre Haut wirkte im geisterhaften Zucken der Blitze unnatürlich weiß und durchscheinend.
    Als Mythor ihrem Blick folgte, entrang sich auch ihm unwillkürlich ein Laut des Entsetzens.
    Da schwebte schräg über ihnen ein unheimliches Wesen, das auf einem Pfahl aufgespießt zu sein schien. Es war ein Geschöpf mit den Merkmalen einer Frau, nackt und nur mit einem Schulterumhang bekleidet, den es wie im Flug ausgebreitet hatte. Dieser Mantel schmiegte sich jedoch seitlich an einen größeren Körper, der vorne zusammenlief und sie in den Rücken stieß. Das wohlgeformte, ebenmäßige Gesicht dieses Weibsdämons war jedoch durchsichtig, so dass man dahinter den Schädel sehen konnte: Dieses Weib schien wie aus Eis geformt, und es brachte auch eine unheimliche Kälte mit sich. Diese zur Bewegungslosigkeit erstarrte Gestalt schob sich weiter über sie und verursachte dabei am Panzer des Yarls ein Scharren, obwohl sie gar nicht dagegen stieß.
    Während namenloses Entsetzen noch Mythor gepackt hielt, begann Nyala auf einmal wie von Sinnen zu lachen. »Wir sind gerettet!« rief sie. »Das ist eine Galionsfigur. Und sie stammt gewiss nicht von einem Schiff der Caer.«
    Im Licht des nächsten Blitzes erkannte auch Mythor, dass die im ersten Moment so unheimlich erscheinende Gestalt nur den Bug eines Schiffes zierte. Die Galionsfigur drehte ab, als das Schiff mit der Breitseite an dem Yarlpanzer anlegte.
    Jetzt glaubte auch Mythor, dass sie gerettet seien. Er nahm noch einmal all seine Kraft zusammen, hob Herzog Krude auf und watete mit ihm durch das kniehohe Wasser zum Panzerrand.
    Dort erschienen eine Reihe bleicher Gestalten, die ihnen dünne, knöcherne Arme entgegenstreckten.
    Mythor übergab ihnen zuerst den Herzog, während er sah, dass Nyala bereits hochgezogen wurde. Dann ließ er sich selbst hinaufhelfen.
    Aber schon bei der ersten Berührung mit diesen Händen zuckte er erschrocken zusammen, und die anfängliche Erleichterung wich zunehmender Besorgnis.
    Die Hände ihrer Retter waren eiskalt. Die Gesichter, in die er hinaufsah, wirkten maskenhaft. Sie waren hohlwangig und hatten tief in den Höhlen liegende Augen. Die Haut, die sich über stark hervortretende Knochen spannte, wies einen Stich ins Bläuliche auf - es war ein Blau, in dem nur Gletschereis schimmert. Unter der Belastung von Mythors Gewicht ächzten und knarrten ihre Armgelenke. Ihr Atem, ein eisigkalter Hauch, ging rasselnd.
    Mythor müsste sich fragen, ob das wirklich die Rettung sei oder nur ein Trugbild, mit dem ihr gequälter Geist sie narrte. Er schwang noch bei vollem Bewusstsein die Beine über die Bordwand. Aber als seine Füße die Planken des seltsamen Schiffes berührten, hatten ihn die Kräfte bereits verlassen, und Schwärze senkte sich über seinen Geist.
    *
    Steinmann Sadagars Tage in Büttelborn waren gezählt. Morgen oder spätestens den Tag darauf würde er diesen malerischen und beschaulichen Ort im östlichsten Teil Tainnias verlassen müssen. Er hatte hier mit seiner Begleiterin, der Runenkundigen Fahrna, eine schöne, wenn auch sehr kurze Zeit verlebt. Und er war überaus erfolgreich gewesen. Gegenüber den einfachen Leuten, zumeist Bauern und Fallensteller ohne irgendwelche Bildung, hatte er all sein Können ausgespielt, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Die Büttelborner hatten die einfachsten Tricks mit offenen Mündern bestaunt und seine Wahrsagungen mit einer Gutgläubigkeit aufgenommen, wie er sie sich nicht besser hätte wünschen können.
    Dennoch dachte der kleine, hagere Mann ohne das geringste Bedauern an den bevorstehenden Abschied. Er war es gewohnt, von einem Ort zum anderen zu ziehen und manchmal seine Zelte blitzartig abzubrechen und sein Heil in der Flucht zu
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