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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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einzulassen. Nachdem er seine Münzen verstaut hatte, schlüpfte er in seine mit magischen Zeichen bestickte Samtjacke, legte den breiten Ledergürtel mit der Löwenkopfschnalle um und überprüfte letztlich den Sitz der zwölf Wurfmesser, die im Gürtel steckten. Während er zur Tür trat, strich er sich noch einmal über das weißblonde, gelockte Haar, das schon reichlich gelichtet war. Dann erst öffnete er die Tür.
    Draußen stand Gauda, die Frau des Wirtes. Ihr praller Leib sprengte fast die vier Lagen Stoff, die sie darüber trug, und sie war so breit, dass sie den Türstock mühelos füllte.
    »Hast du geschlafen, Wahrsager?« fragte sie in dem breiten Dialekt der Grenzländer und kam schnell in die Stube, Sadagar, der im Vergleich zu ihr wie ein Gnom wirkte, mit dem Bauch vor sich her schiebend. Sie blickte sich schnell um, ob jemand sie beobachte, dann schloss sie die Tür hinter sich. Sie schnaubte atemringend und fügte dann überhastet hinzu, wobei sie jedes Wort halb verschluckte: »Du musst mir helfen, Steinmann Sadagar. Mein Oblatko hat sich dazu entschlossen, deinen Rat einzuholen, und das gefällt mir gar nicht.«
    »In welcher Sache will mich dein Mann denn befragen?« erkundigte sich Sadagar, dessen faltiges Gesicht nichts von seiner Überraschung über die Absichten des Herbergswirts verriet.
    Gauda trommelte sich auf den prallen Leib. »Es geht um das ungeborene Kind«, sagte die Wirtsfrau. »Schon von Anfang an haben ihn Zweifel an meiner Treue geplagt, obwohl ich ihm nie Anlass dazu gegeben habe. Das wissen God und Erain und alle Götter, die es sonst noch geben mag. Aber Oblatko ist ein ungläubiger, argwöhnischer Klotz, der nicht einmal sich selbst traut. Nur aus diesem Grund zweifelt er seine Vaterschaft an. Jetzt hat er mir sogar angedroht, dich aufzusuchen, um von dir die Wahrheit zu erfahren. Das habe ich nicht verdient!« Sie begann so heftig zu schluchzen, dass ihre Körpermassen in zuckende Bewegungen gerieten.
    »Aber wenn du ein reines Gewissen hast, brauchst du die Wahrheit nicht zu fürchten«, sagte Sadagar. Als sie ihn erschrocken ansah, stellte er ihr die Frage: »Oder hast du etwa Grund zu berechtigter Sorge, Gauda?«
    »Wie kannst du mich so etwas Beleidigendes fragen, Steinmann Sadagar«, erwiderte sie empört. »Ich habe nur Angst, dass du dich irren könntest. Oder vielleicht haben gar die bösen Mächte aus der Schattenzone mein Ungeborenes beeinflusst. Aber ich gelobe bei God und Erain.«
    »Schon gut«, unterbrach Sadagar sie. »Wen hat dein Mann denn in Verdacht?«
    »Einen Barbaren«, sagte Gauda kleinlaut. »Es war ein kräftiger, dunkelhäutiger Mann, wie wir ihn in Büttelborn noch nie gesehen hatten. Er kam auf der Flucht vor den Ugaliern in unser Dorf, und ich gab ihm Obdach. Als Oblatko dahinterkam, verjagte er den Barbaren. Wir hörten nichts mehr von ihm, und obwohl ich ihn nicht einmal angefasst hatte, wurde ich bald darauf schwanger. Als Oblatko erfuhr, dass ein Kind unterwegs war, kam ihm sofort jener Verdacht, an dem er bis heute festhält. Du musst ihm versichern, dass er im Unrecht ist, Wahrsager.«
    Sadagar wollte schon seine Bedenken äußern und auf seine Standesehre verweisen, als er sah, dass in ihrer fleischigen Handfläche ein paar Silbermünzen blitzten.
    »Nun ja«, sagte er überlegend. »Für wann erwartest du denn deine Niederkunft?«
    »Ich spüre noch überhaupt nichts, und so denke ich, dass es noch etliche Tage dauern wird, bis ich dran bin.«
    Sadagar überlegte sich, dass er dann längst schon weit in Dandamar sein könnte und eigentlich gar kein Wagnis einging, wenn er der Frau half. Er nahm die Silbermünzen schnell an sich und sagte: »Ich will dir helfen, weil ich von deiner Unschuld überzeugt bin. Und selbst wenn sich die Mächte des Bösen an der Frucht deines Leibes vergriffen haben, werde ich dafür sorgen, dass sich alles zum Guten wendet. Ich werde dem Kleinen Nadomir auftragen, es einzurichten, dass das Neugeborene deinem Oblatko wie aus dem Gesicht geschnitten ist.«
    Sie kniete nieder und wollte ihm die Hände küssen, aber da ging die Tür auf, und die Runenkundige Fahrna trat ein. Sadagar zog seine Hände schnell zurück und befahl der Wirtsfrau zu gehen. Sie warf ihm einen letzten flehenden Blick zu, der ihn an ihrer Unschuld zweifeln ließ, dann verschwand sie aus dem Zimmer.
    »Entschuldige, ich wusste nicht, dass du Damenbesuch hast«, sagte Fahrna und ließ sich ächzend auf einen wackligen Stuhl nieder, dass die
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