Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
Vom Netzwerk:
wo er sich befand und welche Gefahren hinter ihm lagen. Und so kniete er neben Nyala nieder und beugte sich über ihr Gesicht. Er wünschte sich in diesem Augenblick nichts so sehr, als diesem schönen Gesicht wieder Leben einzuhauchen.
    »Mythor.«
    Sie schlug die Augen auf, und er fühlte sich ertappt. Beschämt wollte er sich zurückziehen, aber eine kaum wahrnehmbare Regung in ihrem Gesicht hinderte ihn daran. »Gib mir Kraft, Mythor.«
    In dieser Aufforderung schwang so viel Unausgesprochenes mit, das gar nicht in Worte zu fassen war. Und so tat er, was er ursprünglich hatte tun wollen. Als sich ihre Lippen fanden, war es auch, als hauche er ihr etwas von seiner Lebenskraft ein, denn ihr Körper erbebte während der Vereinigung ihrer Lippen unter einer Woge von Leidenschaft, die ihn förmlich mitriss.
    Nyala löste sich sanft, aber bestimmt von seinem Kuss. »Als Sohn des Kometen bist du ein Bestandteil der Lichtwelt«, sagte sie. »Aber ein Teil von dir soll immer mir gehören.« Als er seinen aufgewühlten Gefühlen erneut freien Lauf lassen wollte, fragte sie: »Wie geht es meinem Vater?«
    Das ernüchterte ihn. Sie trieben hilflos auf dem Panzer eines Yarls in der Straße der Nebel und waren allen Gewalten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    »Herzog Krude von Elvinon wird überleben.« Mythor hätte hinzufügen können, dass jedoch alles davon abhing, ob sie gerettet wurden. Und daran wagte er unter den gegebenen Verhältnissen gar nicht zu glauben. Im Norden erstreckte sich das Meer der Spinnen. Im Westen lag die tainnianische Insel, die von den Caer beherrscht wurde, und auch das Festland im Osten stand seit dem Fall von Elvinon unter caerischer Herrschaft. Woher konnten sie Hilfe erwarten?
    »Was war das?« fragte Nyala. Ein kalter Windstoß zerzauste ihr Haar. Durch den Yarlpanzer ging ein Ruck und brachte ihn zum Schwanken. Eine einzelne Welle brach sich an der seitlichen Aufwölbung, und die Gischt spritzte auf sie.
    »Ein Sturm kommt auf«, sagte Nyala.
    Mythor blickte über sich. Der Nebel hatte sich aufgelöst, dicht über ihnen türmten sich dunkle Wolkengebirge. Die Finsternis der Nacht war der Dämmerung eines sturmgepeitschten Morgens gewichen. Es war kaum zu glauben, dass eine einzige Nacht eine solche Fülle von Schrecken bereithalten konnte.
    Der Wind pfiff singend durch das Gerippe des Yarls. Der Panzer wurde von dem aufgepeitschten Meer hochgehoben und in die Tiefe gezerrt. Die Natur war entfesselt. Blitze geisterten durch die Wolkenberge und durchleuchteten sie mit ihrem grellen Schein. Brecher um Brecher rollte gegen die übermannshohe gepanzerte Wandung.
    Mythor hatte Nyalas Vater zwischen dem Knochengerüst in Sicherheit gebracht. Nun öffnete er ihm den Gürtel und band ihn damit an einem durchlöcherten Gelenkknochen fest.
    Nyala wollte etwas sagen, aber eine Bö riss ihr die Worte von den Lippen. Als sie erneut zum Sprechen ansetzte, wurde sie unter den über sie hereinbrechenden Wassermassen begraben. Mythor packte sie schnell bei der Hand, damit sie nicht fortgeschwemmt werden konnte. Als sie prustend wieder zum Vorschein kam, formten ihre Lippen Worte, die Mythor nicht verstehen konnte.
    Der Yarlpanzer schwankte beängstigend. Auf einem Schiff dieser Größe hätten sie auch solchen Gewalten trotzen können. Aber ein Yarlpanzer war nicht seetüchtig. Es ergoss sich mehr Wasser über sie, als wieder durch die Vertiefungen am Kopfende abfließen konnte. Mythor rechnete jeden Augenblick damit, dass der Panzer sank.
    Früher oder später müsste er auf einer Seite Übergewicht bekommen und kentern. Dann wären sie verloren.
    Er fragte sich unwillkürlich, ob sie es hier wirklich nur mit Naturgewalten zu tun hatten oder ob nicht auch höhere Mächte mit im Spiel waren. Die Mächte der Finsternis vielleicht, die die Caer-Priester aus der Schattenzone beschworen hatten?
    Hieß es nicht, dass die Welt einst in einem undurchdringlichen Nebel des Bösen verborgen gewesen war, der erst durch das Erscheinen des Lichtboten an den Rand der Welt verbannt wurde? Und hatte ihm Nyala nicht erzählt, dass nach dem Abgang des Lichtboten das Böse sich wieder entwickelt und ausgedehnt hatte und danach strebte, neuerlich von der Welt Besitz zu ergreifen?
    Ein Blitz, ein Krachen! Plötzlich brach ein Teil des Panzers ab. Ein Brecher rollte durch die geschlagene Bresche und ließ sie für die Dauer eines Atemzugs untertauchen. Als das Wasser wieder zurückwich und Mythor endlich nach Luft schnappen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher