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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke
Autoren: Michael Moorcock
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bis schließlich Häuser zwischen ihnen auftauchten, manche von ihnen dicht am Ufer. Die Häuser rückten näher aneinander und nahmen endlich die Plätze der Weiden und Pappeln ein, bis die Stadt erreicht war. Direkt vor Tallow ragte eine geschwungene Brücke auf. Seine erfahrenen Augen schätzten ihre Höhe ab, und er wußte mit Sicherheit, daß er unter ihr durchsegeln konnte, ohne den Mast umlegen zu müssen. Er glitt unter die Brükke, war ein paar Augenblicke in tieferem Dunkel und kam dann in einen Bereich des Flusses, in dem gelbes Licht von Lampen auf ihn fiel, die eine kleine Mole säumten. Er steuerte die Mole an und grüßte eine Gestalt, die auf ihr stand und in die Dunkelheit spähte.
      »Hallo!« rief Tallow die Gestalt an. »Gibt es hier für meine Schaluppe einen Liegeplatz?«
    »Aye«, antwortete eine vorsichtige Stimme. »Ja, ich glaube schon.« Der Mann verstummte und kletterte die Stufen hinab, die von der Mole zum Wasser führten. »Wer sind Sie?« »Jephraim Tallow. Ich bin Fischer und Händler. Oder ich war das wenigstens …« Er hatte den letzten Satz mit leiser Stimme angehängt. »Wo kann ich anlegen?«
    »Da drüben.« An der dunklen Gestalt erschien etwas Waagrechtes. Der Mann wies auf eine freie Stelle an der Hafenmauer. An dieser befanden sich in Abständen eiserne Ringe. Tallow lenkte sein Schiff mit Geschick, bis es beinahe die Wand berührte, und faßte nach einem der Ringe. Er machte sein Boot an zwei Ringen fest und zog sich auf den schmalen Rand hin
    auf, der zu den Stufen führte.
    »Ich werde nur bis morgen früh bleiben«, sagte Tallow, während er auf den Mann zuging. »Ist der Hafen frei?« »Ist er.«
    Tallow konnte jetzt erkennen, daß der Mann jung war und einen Bart trug. Die Augen lagen im Schein einer der Lampen und wirkten argwöhnisch, und er hatte den Kopf auf die Seite gelegt, während er Tallow anstarrte, der auf ihn zugeschritten kam. Tallow starrte zurück. »Wie geht’s?« fragte er und ließ ein freundliches Lächeln um die Lippen spielen. Er streckte die knochige Hand aus. »Tallow, zu Ihren Diensten.«
    »Hallo, Mr. Tallow«, sagte der Bärtige undeutlich, nahm die Hand nicht an. »Sie legen spät mit Ihrer Schaluppe an, nicht wahr?«
    »Wirklich.« Tallow ärgerte sich, daß Freundlichkeit bei diesem argwöhnischen Gesellen nichts ausrichtete. »Ich war eingeschlafen.«
    »Aye? Nun, ich nehme an, Sie suchen einen Gasthof.«
    »Sehr gut, daß Sie daran denken. Welchen können Sie mir empfehlen?«
    Der Mann machte keine Anstalten, die Stufen zur Mole wieder hinaufzugehen.
    »Einen billigen?«
»Ja, billig«, versicherte Tallow und verfluchte im stillen den
Mann. Er lächelte aber gewinnend. »Ich werde auch Vorräte
für mein Schiff brauchen.«
»Heute nacht ist nichts offen.«
    »Das habe ich auch nicht erwartet.« Tallows vorhin so sichere Stimme klang ein wenig verdrossen. Was für einen Narren habe ich da aufgegabelt, dachte er. Er bemerkte jedoch den Ton seiner Stimme und milderte ihn. »Tut mir leid, wenn ich ein bißchen ungehobelt rede«, lächelte er. »Aber ich bin seit vierundzwanzig Stunden auf dem Fluß und fühle mich müde.« »Kommen Sie«, sagte der Bärtige endlich, wandte sich um
    und stieg die Stufen hinauf. Tallow folgte ihm und stierte seinen Rücken an.
    Er wurde durch eine Reihe enger Gassen geführt, bis er vor sich die Lichter eines Gasthofes erblickte, der kein Wirtshausschild über der Tür hatte, auf dessen Fenster aber in geschwungenen schwarzen Buchstaben Biersorten gepinselt waren. Unter diesen stand auch ›Übernachtungen‹.
    »Das ist es«, sagte Tallows Begleiter und verschwand in der Nacht, worauf Tallow nichts anderes übrigblieb, als das Gebäude zu betreten, aus dem der Lärm trinkender Männer, klirrender Gläser und lauten Gelächters drang. Er stieß die Tür auf und ging hinein.
    Als er auf den Schanktisch zuschritt, wandten die Männer die Köpfe um, starrten ihn an, und rasch wurde es still. Es war ein kleiner Gasthof, voller Schatten und überheizt. Zur Linken Tallows tanzte ein Feuer im Kamin, und die drei übrigen Wände des Raumes waren gesäumt von Holzbänken. In der Mitte der Stube standen ein paar Stühle und Tische, und selbst der winzigste Sitzplatz war besetzt. Die Männer hatten schwere Muskeln, waren fleischige Fischer mit rauher Haut und von Sonne, Wind und Wasser gegerbten Gesichtern. Sie hielten Bierkrüge mit ihren mächtigen Händen umklammert und sahen sich Tallow an. Die meisten hatten
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