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Die Götter 2. Das magische Zeichen

Die Götter 2. Das magische Zeichen

Titel: Die Götter 2. Das magische Zeichen
Autoren: Pierre Grimbert
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ihm eine heisere, mürrische Stimme einzutreten. Der Matrose war so klug, sofort zu gehorchen.
    In der Kajüte herrschte eine düstere Atmosphäre. Draußen schien die Sonne, aber hier drinnen verdeckten Fensterläden und schwere Vorhänge die Bullaugen. Vereinzelte Kerzen flackerten in der Dunkelheit. Ein durchdringender Geruch hing in der Luft, eine Mischung aus Weihrauch, Schimmel und Moder. Krampfhaft versuchte Rauric, nicht zu den Pergamenten und aufgeschlagenen Büchern hinüberzusehen, die überall auf Tischen, Stühlen und Schreibpulten lagen. Der Kapitän hasste es, wenn man sich ohne Aufforderung für seine Studien interessierte. Außerdem fürchtete Rauric, die rätselhaften Symbole und Schriftzeichen könnten ihn mit einem Fluch belegen – sie sahen ihm ganz nach schwarzer Magie aus. So betrachtete er seine Schuhspitzen, als wären sie das Faszinierendste von der Welt. Direkt vor seinen Füßen prangte ein dunkler Fleck auf dem Boden, bei dessen Anblick ihn ein Schauer überlief. Das Blut der beiden Meuterer von letzter Nacht war offenbar nicht richtig weggewischt worden. Der Matrose, den der Kapitän mit dieser Aufgabe betraut hatte, musste es eilig gehabt haben, die Kajüte wieder zu verlassen.
    » Also? « , fragte der Kapitän schneidend. » Ich warte! «
    Plötzlich stand er direkt hinter Rauric, obwohl er vorher nirgends zu sehen gewesen war. Nur mit großer Mühe unterdrückte der Matrose einen Aufschrei. Zum Glück gewann er die Fassung schnell genug zurück, um seinen Gebieter nicht zu verärgern. Schließlich war er nicht lebensmüde …
    » Herr, wir haben nichts gefunden « , stammelte er hastig. » Wir haben die Unglücksstelle sorgfältig abgesucht und sind auch der Strömung gefolgt, aber wir sind auf keine einzige Leiche gestoßen. Die Männer glauben, dass niemand überlebt hat. «
    » Die Männer? « , schnappte der Kapitän. » Ach ja? Glauben diese Armleuchter etwa, sie wüssten besser als ich, ob sich die Suche lohnt? Gehörst du vielleicht auch zu diesen verkannten Genies? Willst du womöglich meinen Platz einnehmen? «
    » Nein, Herr! « , beteuerte Rauric.
    Er hätte Vater und Mutter verleugnet, um nur ein paar Dezillen weiterzuleben. Glücklicherweise schien der Kapitän das Interesse an dem Thema verloren zu haben. Mit nachdenklicher Miene lief er in der Kajüte auf und ab.
    » Glaub mir, sie haben überlebt « , sagte er. » Vielleicht nicht alle und vielleicht nicht unverletzt, aber sie sind irgendwo da draußen. Ich muss sie nur finden. Ich muss sie finden, damit ich sie … «
    Er beendete den Satz nicht, sondern blieb vor einem Bullauge stehen und zog den Vorhang mit einem Ruck zur Seite. Dann löste er einen Haken und stieß den Fensterladen weit auf. Grelles Morgenlicht durchflutete das Zimmer und blendete Rauric für einen Moment. Als sich seine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, sah er, wie der Kapitän zum Horizont starrte – genauer gesagt, zu einer Insel. Einer kleinen Anhäufung von Felsen im Meer, der sie während ihrer Suche immer näher gekommen waren.
    » Da ist sie ja « , murmelte der Kapitän.
    Rauric gab keinen Mucks von sich. Seinen Gebieter in diesem Moment zu stören, erschien ihm nicht minder gewagt, als ihn wüst zu beschimpfen. Als sich der Mann zu ihm umwandte, brach dem Matrosen der kalte Schweiß aus.
    » Worauf wartest du? « , herrschte ihn der Kapitän an. » Gib meinen Befehl an den Steuermann weiter. Wir nehmen Kurs auf die Insel! «
    Rauric nickte eilfertig und zog sich ohne ein weiteres Wort zurück. Er war überglücklich, so glimpflich davongekommen zu sein.
    Der Geruch des Todes, der sich in der Kajüte an seine Kleider geheftet hatte, ging ihm bis zum Abend nicht mehr aus der Nase.
    Josion kam nur wenige Dekaden nach Damián zur Welt. Viele Frauen hatten mir von den Geburtsschmerzen berichtet, vor allem Eryne, die eine ganze Nacht lang in den Wehen gelegen hatte. Doch die Niederkunft meines Sohnes war für mich ein Moment reinen Glücks. War mein Körper so sehr an Leid gewöhnt, dass mir eine Geburt nichts ausmachte? Oder spürte ich den Schmerz vor lauter Glück nicht? Halfen mir vielleicht Nolans Berührungen und tröstenden Worte? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es von allem etwas. Oder es war noch etwas ganz anderes, etwas Übernatürliches.
    Josion wurde im Jal gezeugt, wie Eryne eine Generation vor ihm oder Nol der Seltsame zur Zeit der Etheker. Das macht ihn zu etwas Besonderem. Außerdem ist er der Letzte,
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