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Die Götter 2. Das magische Zeichen

Die Götter 2. Das magische Zeichen

Titel: Die Götter 2. Das magische Zeichen
Autoren: Pierre Grimbert
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gehorchten.
    Damals war ich überzeugt, einer echten Göttin zu dienen. Mein Leid und das, welches ich meinen Rivalinnen zufügte, schienen mir durch einen höheren Zweck gerechtfertigt, den ich als gewöhnliche Sterbliche nicht verstand. Unter Aufbietung all meines Ehrgeizes und all meiner Beharrlichkeit gelang es mir, meine Rivalinnen zu übertreffen und den begehrten Titel der » Kahati « zu erringen. Irgendwann stand fest, dass ich Zuïas nächste Verkörperung sein würde. Ich war bereit, der Göttin meinen Körper zu schenken und meinen eigenen Geist sterben zu lassen.
    Erst als ich Zuïas wahre Natur erkannte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. In Wahrheit war sie keine Göttin, sondern eine Dämonin, eine abscheuliche Kreatur. Sie war das genaue Gegenteil der strengen, aber gerechten Göttin, an die ich geglaubt hatte.
    An jenem Tag begann meine Flucht vor Zuïa, und einige Zeit später besiegte ich die Dämonin. Letzten Endes nutzte ich die Fähigkeiten, die mir im Laufe entbehrungsreicher Jahre antrainiert worden waren, um meine einstige Gebieterin zu vernichten. Mein Leid war also doch noch zu etwas gut, daran muss ich einfach glauben. Trotzdem erinnere ich mich nur ungern an meine Lehrzeit. Mein Körper und mein Geist haben zu großen Schaden genommen.
    Die Qualen meiner Kindheit und Jugend hätten mir eine Lehre sein müssen. Ich hätte nicht denselben Fehler wie die Judikatoren begehen dürfen.
    Ich hätte meinen Sohn nicht denselben Torturen aussetzen dürfen.
    Die Nacht war lang, lang und ermüdend. Der Kapitän würde seinen Männern erst dann eine Ruhepause gönnen, wenn sie ihm etwas Brauchbares brachten, und so suchte die gesamte Mannschaft Dekant um Dekant die dunklen Fluten des Mittenmeers ab. Niemand durfte sich auch nur eine Dezime schlafen legen. Und all das wegen einer völlig vergeblichen Suche.
    Dabei hatten sie sich anfangs wirklich bemüht, vor allem wegen der Aussicht auf Belohnung: Der Kapitän schien über unerschöpfliche Reichtümer zu verfügen und stand in dem Ruf, all jene, deren Dienste ihn zufriedenstellten, reich zu belohnen. Doch nach einer Weile hatten die Matrosen die Nase voll gehabt und nur noch in der Hoffnung weitergemacht, irgendetwas zu finden, das ihnen erlaubte, endlich in ihre Hängematten zu steigen. Nachdem der Kapitän allerdings die Leichen von zwei Matrosen, die nicht weitersuchen wollten, über Bord werfen ließ, machten sich alle wieder emsig an die Arbeit.
    Nun wurden sie vor allem von Angst angetrieben.
    Der Kapitän schätzte die versuchte Meuterei der beiden Matrosen, die sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnten, nicht gerade und » tadelte « sie höchstpersönlich. Die Schreie der beiden waren laut durch die Nacht gehallt, und seitdem hatte keiner der Männer mehr aufzumucken gewagt. Die Hälfte der Mannschaft beugte sich über die Reling, während die andere Hälfte das Meer von Ruderbooten aus absuchte. Ihre Arbeit wurde dadurch erschwert, dass der Kapitän ihnen verboten hatte, Fackeln oder Laternen zu entzünden. So blieb ihnen nur das Mondlicht.
    Unermüdlich fischten sie mit Stangen und Enterhaken Schiffstrümmer aus dem Wasser, betrachteten sie kurz und warfen sie anschließend zurück ins Meer. Die Sucherei war völlig sinnlos: Die Leichen, nach denen der Kapitän suchte, mussten längst auf den Meeresboden gesunken sein. Schon im ersten Dekant ihrer Suche war es unwahrscheinlich gewesen, noch Überlebende zu finden, aber mittlerweile käme es einem Wunder gleich.
    Und jetzt musste Rauric vor den Kapitän treten und ihm von ihrem Scheitern berichten. Während der zwei letzten Dezimen hatte er krampfhaft nach einem Vorwand gesucht, sich vor dieser Aufgabe zu drücken oder sie zumindest aufzuschieben, aber mittlerweile fielen ihm keine Ausflüchte mehr ein. Im Übrigen konnte es sein, dass der Kapitän einen Wutanfall bekam, wenn er ihn noch länger warten ließ – und bei dieser Vorstellung lief Rauric ein Schauer über den Rücken. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, ein Ruderboot zu stehlen und zu versuchen, das Festland zu erreichen, aber selbst das hätte ihn nicht gerettet. Wenn der Kapitän es auf jemanden abgesehen hatte, gab es kein Entkommen.
    Denn der Kapitän bekam immer, was er wollte – außer vielleicht heute Nacht.
    Rauric hatte einen dicken Kloß im Hals, als er all seinen Mut zusammennahm und an die Tür der Kapitänskajüte klopfte. Kaum hatte sein zitternder Finger das Holz berührt, befahl
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