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Die Giftköchin

Die Giftköchin

Titel: Die Giftköchin
Autoren: Arto Paasilinna
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Nachbardorf zu hören. Linnea schämte sich; warum konnten die jungen Männer nicht manierl i cher feiern? Früher hatte man es verstanden, kultivierte Feste zu feiern, jedenfalls im allgemeinen, und beso n ders vor dem Krieg. Nach dem Krieg war es dann einige Jahre lang anders, die Sitten waren zweifellos verroht gewesen, doch das hatte an dem verlustreichen Krieg gelegen und nicht daran, daß die Männer jener Zeit ungehobelte Tölpel gewesen wären.
    Bald nach dem Krieg hatte Oberst Ravaska erfahren, daß man ihn wegen des Versteckens von Waffen ankl a gen würde; er war für sein letztes Geld nach Brasilien gereist, wo eine recht gute Arbeitsstelle auf ihn gewartet hatte. Zuvor war nämlich bereits General Paavo Talvela, ein guter Freund des Oberst, in das südamerikanische Land geflohen und hatte seinen Offizierskollegen im örtlichen Verkaufskontor für finnische Zellulose unte r gebracht.
    In Finnland hatte man befürchtet, die Russen kön n ten sich das Land unter den Nagel reißen, und viel fehlte auch nicht. Linnea erin nerte sich, wie Hertta Kuusinen [2] öffentlich damit gedroht hatte. Von Hertta eingeschüc h tert, hatte auch Linnea ein Schiff bestiegen und war über das Meer zu ihrem Mann nach Rio de Janeiro geeilt. Ach, diese Feste, gütiger Himmel! Obwohl man kaum Geldmittel besessen hatte, hatte man doch ve r sucht, den Druck der traurigen Zeiten ein wenig zu mildern, indem man hin und wieder herrliche Treffen der früheren europäischen Militärangehörigen arrangie r te. In Südamerika hielten sich damals etliche finnische Vaterlandsfreunde auf, auch hohe Militärs, wie Talvela, außerdem natürlich scharenweise Deutsche, ein paar Ungarn, die an der Seite der Deutschen gekämpft ha t ten, und andere Personen, die nach Ende des Krieges hatten fliehen müssen. Aber richtige Faschisten hatte Linnea nie getroffen, obwohl von ihrer Anwesenheit gemunkelt wurde. Waren nicht die schlimmsten Krieg s verbrecher unmittelbar nach dem Krieg und dem Nür n berger Prozeß aufgehängt worden?
    Politische Dinge waren Linnea immer unangenehm gewesen. Sie fand es überflüssig, noch Jahrzehnte nach Kriegsende auf der Waffenbrüderschaft zwischen Finnen und Deutschen herumzureiten.
    Aber es waren herrliche Feste gewesen, daran erinne r te sie sich. Manchmal hatte man mit Pistolen Papierl a ternen vom Dach des Gartenpavillons heruntergescho s sen, der Wein war in Strömen geflossen, man hatte sich viele Tage hintereinander vergnügt. Und dann hatte man ebenso viele Tage faul im Bett gelegen, bis man allmä h lich wieder an die Arbeit denken mußte. Trotzdem war niemals so herumgeschrien worden, wie es diese jungen Männer in der Sauna taten, zwar waren die ehemaligen Offiziere recht laut gewesen, allerdings hatten sie ni e mals derart gegrölt.
    In der Tat: Wenn ein gewöhnlicher Soldat einen oder zwei Schnäpse trinkt, fängt er an zu grölen, während ein Offizier, selbst wenn er viele Tage getrunken hat, höc h stens ein wenig herumbrüllt.
    In der Sauna fuhr das Trio mit dem Baden und Sa u fen fort. Im Ofen war schon vor Stunden die Glut erl o schen, nicht das leiseste Zischen war zu hören, wenn die Betrunkenen kellenweise Wasser auf die kalten Steine schütteten. Die Burschen merkten es nicht ei n mal, mit der Zigarette im Mund und der Schnapsflasche in Reichweite peitschten sie sich gegenseitig mit abg e fransten Birkenzweigen den Rücken und priesen Linn e as ausgezeichnete Sauna. Zwischendurch gingen sie zur Abkühlung auf den Hof.
    Das Schummerlicht um Mitternacht ließ die Rada u brüder gefühlvoll werden. Kauko Nyyssönen fing an, seine Tante Linnea als einen großartigen Menschen zu preisen, er bekannte, daß er es ohne die alte Frau in seinem Leben nicht einmal zu dem gebracht hätte, was er jetzt war. Linnea habe ihn von Kindesbeinen an ve r wöhnt, da seine eigene Mutter nun mal so gewesen sei, wie sie war. Linnea habe ihn wie ihr eigenes Kind b e handelt, da sie ja mit ihrem Oberst, also dem Onkel Ravaska, keine Kinder gehabt habe. Auch später noch, nachdem seine eigene Mutter gestorben sei, habe er sich auf Linnea verlassen können. Sie habe ihn im Sommer aus dem Kinderheim zu sich geholt, habe ihn gut b e kocht, ihm Kleidung gekauft und alles andere.
    »Stellt euch vor, die Alte hat mich auch in der Erzi e hungsanstalt besucht und mir immer alle möglichen Delikatessen mitgebracht«, erklärte Kake gerührt. »Und als ich das erste Mal in den Knast mußte, hat sie mir Pakete und Geld geschickt. Von
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