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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin
Autoren: Petra Schier
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Merkwürdig.»
    Luzia wurde blass und legte unwillkürlich erneut ihre Hand auf die Stelle an ihrer Brust, an der sich unter ihrem Umhang das Kruzifix befand. Sofort verstummte das Summen.
    Augustas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. «Das ist ja seltsam. Jetzt hat es aufgehört. Seid Ihr sicher, dass Ihr nichts gehört habt, Jungfer Luzia?»
    Ehe Luzia darauf antworten konnte, trat Augusta einen Schritt zurück und nickte ihr – nun deutlich distanzierter als zuvor – noch einmal kurz zu. «Entschuldigt mich, ich muss nun gehen. Gehabt Euch wohl!»
    * * *
    «Beruhige dich, Luzia, so schlimm ist die Sache doch gar nicht», versuchte Elisabeth ihre Freundin am Abend zu beschwichtigen. Luzia hatte ihr gleich bei ihrer Rückkehr von dem Zusammentreffen mit Martin Wieds Mutter berichtet. Natürlich hatte sie bemerkt, wie rasch die leutselige Art der Frau in Misstrauen umgeschlagen war. Augusta Wied hatte ganz sicher mitbekommen, dass Luzia nicht die Wahrheit gesagt hatte. Aber wie hätte sie dieser Fremden erklären sollen, dass sie ein Kruzifix bei sich trug, das über magische oder göttliche Fähigkeiten verfügte und vor Unheil warnte?
    Elisabeth hatte Luzia eine Hand auf den Arm gelegt und drückte ihn nun leicht. «Du hast es schon ganz richtig gemacht. Was hättest du der guten Frau auch sagen sollen? Vielleicht wäre es besser, du trügest das Kruzifix eine Weile nicht um den Hals. Wenigstens so lange nicht, bis wir wissen, warum es wieder mit dem Summen angefangen hat.»
    «Ich möchte es ungern ablegen», widersprach Luzia. «Wo ich es nun schon so lange trage.»
    Elisabeth nickte. «Wenn es aber weiterhin summt …»
    «Ich weiß, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es abzulegen.» Luzia senkte den Kopf.
    Noch einmal drückte Elisabeth ihren Arm. «Bist du sicher, dass du in letzter Zeit keine ungewöhnlichen Träume hattest?»
    Luzia hob den Kopf wieder. «Ganz sicher. Ich hätte Euch doch gleich davon erzählt. Es summt auch anders als früher, Herrin.»
    «Wie anders?»
    Luzia zuckte etwas ratlos mit den Achseln. «Anders eben. Nicht so zornig wie damals, als es uns vor der Pest warnen wollte. Es vibriert auch nicht richtig, sondern fühlt sich eher an, als habe es plötzlich eine Art Herzschlag.»
    «Herzschlag? Ein Silberkreuz?»
    Luzia zog das Kruzifix unter ihrem Kleid hervor. Sie hatte es vorsichtshalber daruntergeschoben, um den unheimlichen Summton zu dämpfen. «Hier, fühlt selbst. Es ist nicht heiß geworden wie damals, aber es pocht irgendwie.»
    Elisabeth nahm das silberne Kreuz vorsichtig in die Hand. Nach einer Weile nickte sie. «Du hast recht, Luzia. Es fühlt sich an, als sei es lebendig.»
    «Und das Summen klingt nicht wütend», hob Luzia hervor. «Eher aufgeregt oder ungeduldig, findet Ihr nicht?»
    Nachdem das Geräusch nun deutlicher zu hören war, lauschte Elisabeth eine Weile und stimmte ihrer Freundin dann zu. «Was es uns wohl diesmal mitteilen will? Wenn es nicht zornig summt, will es uns womöglich dieses Mal etwas Gutes verkünden.» Sie ließ das Kreuz wieder los. «Ich werde eine Nachricht zur Küneburg schicken und Vater bitten, uns Bruder Georg zu schicken. Vielleicht weiß er einen Rat.»

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2. Kapitel
    G reif zu!», forderte Martin Wied seinen treuen Knecht Alban auf, der ihm gegenüber an einem der langen Tische des Gasthauses saß. Zwischen ihnen stand eine große Schüssel mit geschmortem Gemüse, daneben eine Platte mit knusprig gebratenem Geflügel. «Auch wenn wir erst in Lahnstein sind und der Regen uns frühzeitig zur Rast gezwungen hat, wollen wir doch heute schon unsere glückliche Heimkehr feiern, meinst du nicht?»
    «Danke, Herr.» Alban strich sich über den fast kahlen Schädel. «Ganz schön heftig, der Regenguss», sagte er und griff nach einem Stück Fleisch. «Hätte nicht gedacht, dass es heute schon anfängt. Heute hätten wir gut noch das letzte Stück bis Koblenz schaffen können.» Genussvoll biss er in den saftigen Schenkel und kaute mit genießerisch verzogenen Lippen.
    Martin sah ihm einen Moment lang lächelnd zu, bevor er sich selbst ebenfalls Fleisch und Gemüse auf seinen Teller häufte. Alban war seit vielen Jahren sein treuer Diener; mittlerweile mochte er auf die fünfzig zugehen. Die Jahre schienen ihm allmählich mehr zuzusetzen. Während der zweijährigen Reise nach Italien hatte ihn trotz des wärmeren Klimas so manches Zipperlein geplagt, nach und nach waren ihm dann auch noch fast alle Haare
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