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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin
Autoren: Petra Schier
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gestern. Muss ich da mit rein?»
    Luzia blieb stehen. «Heute ist der Tag des heiligen Ägidius, des Nothelfers. Wie oft habe ich ihn in der Vergangenheit um Beistand angefleht! Da ist es nur recht, dass ich ihm an seinem Gedenktag eine Kerze anzünde und ein Dankgebet spreche.»
    Anton verdrehte kurz die Augen, blickte dann jedoch betreten auf seine Fußspitzen, die in neuen Lederstiefeln steckten. Er erinnerte sich selbst nur allzu gut an die schlimme Zeit während der großen Pest vor drei Jahren. Sie hatten damals ihre Eltern, die kleine Schwester und die Großmutter verloren und standen seither allein auf der Welt. Zwar besaßen sie noch den Hof in Blasweiler und das dazugehörige Land, doch wenn sie in Elisabeth und Johann nicht solche fürsorglichen Freunde gehabt hätten, die Luzia dabei halfen, das Erbe zu verwalten und zu erhalten, wäre es ihnen sicherlich schwergefallen, sich durchzuschlagen.
    Anton fühlte sich wohl im Dienst des Grafen von Manten. Selbst ein Edelknecht hätte es bei manch anderem Herrn nicht so gut gehabt. Luzia, die Elisabeths Leibmagd war, verdiente obendrein noch einen erklecklichen Lohn, der es ihr ermöglichte, ihren Bruder und sich selbst stets ordentlich zu kleiden und dafür zu sorgen, dass es ihnen an nichts fehlte. Sie waren vor Jahren übereingekommen, niemandem zu verraten, dass sie die Nachkommen von einfachen Bauern waren. Elisabeth hatte sie darin ermutigt, um den Geschwistern, deren Schicksal zuletzt so hart gewesen war, einen Vorteil zu verschaffen. Tatsächlich wurden sowohl Luzia als auch Anton überall mit Respekt behandelt, glaubten die Leute doch, sie seien die Waisen einer angesehenen bürgerlichen Familie.
    Anton hatte sich längst mit dieser Maskerade abgefunden und konnte sich inzwischen kaum noch vorstellen, den elterlichen Hof tatsächlich einmal als Bauer zu übernehmen. Zu weit fort schien ihm das Eifeldorf Blasweiler und die leibeigenen Nachbarn, unter denen er aufgewachsen war. Leider waren mehr als zwei Drittel von ihnen ebenfalls der Pestilenz zum Opfer gefallen. Er würde sich in seinem Heimatdorf ganz sicher nicht mehr heimisch fühlen, müsste er heute oder morgen dorthin zurückkehren. Derzeit war der Hof an einen anderen Bauern verpachtet und warf sogar so gute Erträge ab, dass der Pachtzins regelmäßig floss. Eine weitere Einnahmequelle, über die Luzia sorgfältig Buch führte.
    Luzia hatte von Elisabeth Lesen und Schreiben gelernt und beides mittlerweile auch Anton gelehrt. Vor anderen verschwieg er sein Können meistens, denn er wollte nicht als Sonderling unter seinesgleichen dastehen. Selbst viele Bürgerliche waren des Lesens und Schreibens nicht mächtig, geschweige denn Knechte. Aber es gab Anton ein gutes Gefühl, über Kenntnisse zu verfügen, die so vielen anderen Menschen auf ewig verschlossen blieben.
    Während er mit sich selbst im Reinen war und sich im Allgemeinen wohlfühlte, wusste er, dass Luzia unter den Ereignissen der Vergangenheit weit stärker gelitten hatte als er. Mehr, als sie selbst vor Elisabeth zugab. Anton vermutete, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie nicht da gewesen war, als ihre Familie von dieser heimtückischen Krankheit befallen und dahingerafft worden war. Er, Anton, hatte mit ansehen müssen, wie ein geliebter Mensch nach dem anderen gestorben war, ohne dass er etwas hätte tun können. Doch er gab sich nicht die Schuld daran. Auch dass er sich als Einziger wie durch ein Wunder nicht angesteckt hatte, nahm er im Nachhinein als einen Wink Gottes hin, dass dieser offenbar noch Größeres mit ihm vorhatte.
    Seine Schwester hingegen war in letzter Zeit häufig sehr still gewesen, hatte sich zunehmend dem Gebet gewidmet und immer häufiger die Kirche besucht. Sie hatte bereits ein kleines Vermögen für Talglichter und Kerzen ausgegeben, die sie an den Gedenktagen der heiligen Nothelfer, der Gottesmutter Maria und an den Namenstagen ihrer Eltern sowie der Schwester in der Kirche entzündete. Oft sah er sie in unbeobachteten Momenten wehmütig in die Ferne blicken und fragte sich, woran sie in solchen Augenblicken wohl denken mochte. Zu fragen hatte er bisher noch nicht gewagt. Er hoffte nur, sie würde nicht schwermütig werden, denn das sähe Luzia so gar nicht ähnlich. Sie war immer zupackend und von fröhlichem Gemüt gewesen. Anton grinste kurz vor sich hin. Ihr loses Mundwerk war seinerzeit weithin bekannt gewesen. Sie hielt mit ihrer Meinung selten hinterm Berg, selbst ihrer Herrin
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