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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin
Autoren: Petra Schier
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dieses leichte Pulsieren, das sich fast wie ein Herzschlag anfühlte.
    Elisabeth hatte Luzias unwillkürliche Geste natürlich bemerkt, und sofort wurde ihre Miene besorgt. «Was ist, Luzia?», fragte sie mit gesenkter Stimme. «Hast du etwas gespürt? Hat das Kreuz …»
    «Nein, nein, Herrin.» Rasch schüttelte Luzia den Kopf. «Ich hatte nur das Gefühl … Aber jetzt ist es schon vorbei.»
    «Was für ein Gefühl?»
    Luzia seufzte. «Ich dachte, es vibriert wieder. Aber ich habe mich bestimmt getäuscht.»
    «Hoffentlich.» Elisabeth runzelte die Stirn. «Du weißt, dass es meistens nichts Gutes bedeutet, wenn das Kruzifix sich regt. Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, wir hätten es Bruder Georg zur Verwahrung gegeben oder ihn gebeten, es einem Gelehrten vorzulegen, damit er es untersucht.»
    «Aber das können wir nicht!», widersprach Luzia im Flüsterton. «Der Schwur, der damals geleistet wurde, besagt, dass es in der Familie bleiben muss. Wir müssen uns an dieses Versprechen halten.»
    «Ja, sicher.» Elisabeth zögerte und blickte sich vorsichtig um, doch in dem bunten Treiben um sie herum achtete niemand auf ihr Gespräch. Dennoch schüttelte sie den Kopf. «Lass uns zu Hause darüber sprechen. Ich hoffe bloß, wir müssen hier nicht noch viel länger warten, sonst gibt es womöglich in der Garküche keine schönen Kapaune mehr zu kaufen. Hoffentlich taugt die Köchin, die Johann von diesem Ratsherrn Hole empfohlen wurde. Ich bin es leid, das Essen ständig von außerhalb holen zu müssen.»
    «Wann soll die Frau bei uns anfangen?»
    Elisabeth seufzte hoffnungsvoll. «Morgen.»
    Die beiden Frauen lächelten einander an und warteten dann geduldig, bis sie an der Reihe waren. Eine knappe halbe Stunde später machten sie sich auf den Heimweg zum Stadthaus der Mantens. Im Winter war es unangenehm kalt in der Burg an der Mosel, daher hatte Elisabeths Mann, Graf Johann von Manten, ein geräumiges Haus mitten in Koblenz gekauft, in das man sich in der kalten Jahreszeit zurückziehen konnte. Beide Frauen waren froh darüber.
    Anton schleppte nun nicht nur die Pasteten und sorgsam verpackten gegarten Kapaune in seinem Korb, sondern obendrein noch zwei große Brote, die Elisabeth bei Meister Feit in der Mehlgasse erstanden hatte. Zwar verdrehte er ob seiner schweren Last die Augen, schnüffelte gleichzeitig jedoch genießerisch, denn das gebratene Fleisch verströmte einen geradezu sündhaften Duft.
    Luzia warf ihm über die Schulter einen prüfenden Blick zu und lachte. «Was ist, Tünn, läuft dir das Wasser jetzt schon im Mund zusammen? Lass bloß die Finger von dem Geflügel. Das ist nur für die Herrschaft bestimmt.»
    Anton grinste und zuckte mit den Achseln. «Träumen wird wohl erlaubt sein», brummelte er mit seiner inzwischen deutlich dunkleren Stimme, an die sich Luzia noch immer nicht gewöhnt hatte. Er machte nie viele Worte, deshalb warf ihm Luzia ein weiteres, diesmal herausforderndes Lächeln zu. «Du wirst schon nicht verhungern, kleiner Bruder.»
    «Hey, nenn mich nicht klein! Ich bin inzwischen viel größer als du.»
    Zufrieden, ihrem Bruder noch ein paar weitere Worte entlockt zu haben, zwinkerte sie ihm zu und zupfte spielerisch an einer seiner roten Locken, die ihren eigenen so sehr ähnelten. «An Körpergröße vielleicht, aber an Jahren wirst du immer fünf hinter mir zurückbleiben.»
    «Da wären wir», unterbrach Elisabeth das Geplänkel der beiden und öffnete die Tür zu dem stattlichen dreigeschossigen Steinhaus, dessen Fenster im Erdgeschoss mit teurem Glas verschlossen waren. In den beiden oberen Geschossen füllten mit Schweinehaut bespannte Holzrahmen die Fensteröffnungen, sodass auch hier die Bewohner gegen die Zugluft geschützt waren.
    Luzia schritt hinter ihrer Herrin hinein, gefolgt von Anton, der sich zielstrebig auf den Weg in die Küche machte, um seine Last endlich loszuwerden.
    Elisabeth blickte sich prüfend um. Sie standen in einem großen Raum, der gleichzeitig Eingangshalle und gute Stube war. Von ihr selbst geknüpfte Wandteppiche schmückten die frisch geweißten Wände dort, wo es keine Regale mit Geschirr und Truhen mit Tischwäsche gab. Beherrscht wurde der Raum von einem langen, schweren Eichentisch, an dem zwölf Personen mit Leichtigkeit Platz fanden. Am oberen Ende der Tafel gab es sechs sehr wertvolle und aufwendig mit Schnitzereien gestaltete Stühle, am unteren Ende standen zu beiden Seiten des Tisches Bänke für das Gesinde. Johann hatte
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