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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
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ihr so lange geredet?»
    «Eine Menge schlimmer Sachen. Und jetzt nichts wie weg hier.»
    Naa Yomo saß noch immer auf ihrem Hocker vor ihrem Zimmer. Sie ignorierten die alte Frau. Und Naa Yomo rief die beiden diesmal auch nicht zurück.
    «Was für schlimme Sachen?» wollte Odarley auf ihrem Weg nach draußen wissen.
    «Ich kann nicht darüber sprechen», sagte Fofo brüsk.
    Odarley runzelte die Stirn. Fofo verhielt sich manchmal wirklich merkwürdig und redete komisch daher. Vor ein paar Tagen hatte sie sich plötzlich entschieden, ihr Leben alleine zu leben und sich von der Gang abzusetzen. Statt dessen Karotten putzen zu gehen und mit dem Trinken aufzuhören. Odarley fand das wirklich seltsam. Wer wollte schon alleine leben in Sodom und Gomorrha?
    «Fofo, sprich doch einfach.»
    «Hm.»
    «Weißt du noch, was du neulich gesagt hast? Daß du die Not kennst?»
    «Ja. Ich habe sie gesehen.»
    Eine Frau, die dicht hinter ihnen ging, dachte bei sich, Fofo stehe unter Drogen. Diese waren schließlich reichlich in Umlauf in Sodom und Gomorrha.
    «Du hast die Not leibhaftig gesehen?» fragte Odarley und unterdrückte ein Kichern.
    «Ja.»
    «Von Kopf bis Fuß?»
    «Von Kopf bis Fuß. Ihr Gesicht, ihren häßlichen Quadratschädel, ihre dicken, fetten Zehen. Ich kenne ihre Gestalt, sie sieht aus wie…»
    «Tatsächlich?»
    Die Frau hinter den beiden schüttelte traurig den Kopf.
    «Ja», fuhr Fofo fort. «Ich kenne ihre Länge und Breite, ihren Umfang und ihren Geruch.»
    «Du hast sie auch gerochen?»
    «Ja.» Sie steckte einen Finger in die Nase.
    Für Odarley war es nur ein Spaß, aber Fofo meinte es bitterernst. Sie bohrte mit wilder Wut weiter in ihrer Nase.
    «Was ist los?» beharrte Odarley.
    Die Frau hinter ihnen beschloß an diesem Punkt und auf eigene Gefahr, sich einzumischen, und bemerkte an Odarley gewandt:
    «Warum schickst du deine Freundin nicht nach Hause zu ihrer Mutter?»
    Fofo stoppte so abrupt, daß die Frau in sie hineinstolperte und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
    «Dummes Ding», schrie die Frau. «Siehst du nicht, was du beinahe angerichtet hättest? Träumst du oder was? Kommt das von euren blöden Drogen, oder ist der Teufel in euch gefahren?»
    Ein Blick in Fofos Gesicht genügte, um der Frau, wenn auch verspätet, begreiflich zu machen, daß sie sich besser herausgehalten hätte.
    «Ja, ich träume!» stieß Fofo hervor. «Ich habe letzte Nacht einen sehr schlimmen Traum gehabt. Das ist bei mir die Regel. Aber heute, nachdem ich Ihre 50-80-50-Traumfigur gesehen habe, weiß ich erst, was ein Alptraum ist.»
    Die Frau schnappte nach Luft. «Wie kannst du es wagen?» schimpfte sie. «Meine jüngste Enkeltochter ist bereits älter als du. Was fällt dir eigentlich ein!»
    «Und was fällt Ihnen ein, Ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken und mich als dummes Ding zu beschimpfen?» gab Fofo zurück. «Wissen Sie eigentlich, wie alt meine jüngste Tochter ist? Na, schätzen Sie mal. Das hier ist sie!» Dabei zeigte sie auf Odarley. «Na, was schätzen Sie. Als Sie so alt waren wie ich, hatten Sie da schon eine Tochter in diesem Alter?»
    Die Frau geriet ins Schwitzen. «Du kannst ja nichts dafür», keuchte sie. «Wir sind hier schließlich nur einen Steinwurf entfernt von Sodom und Gomorrha. Wären wir woanders, dort, wo ein Erwachsener noch was zählt, dann würdest du schon sehen, was ich mit dir machen würde!» Sie stapfte davon.
    Odarley und Fofo brachen in Gelächter aus. Dann hielt Fofo plötzlich inne: «Odarley, hier trennen sich unsere Wege.»
    Odarley verzog das Gesicht. «Aber warum?»
    «Frag nicht. Geh einfach weiter. Wir sehen uns heute abend.»
    «Warum bloß», fragte Odarley traurig und verwundert zugleich.
    «Ich sagte doch, frag nicht. Geh.»
    «Kommst du heute Nacht zu uns?»
    «Ich weiß noch nicht.»
    «Und Poison?»
    «Wir sehen uns, Odarley. Geh!»
    Sie machte kehrt und ging in die entgegengesetzte Richtung davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

KAPITEL 4
     
     
     
    In Kabrias Haushalt war das übliche Montagmorgen-Chaos in vollem Gange. Sie war mit den Hühnern aufgestanden und noch keinen Moment zur Ruhe gekommen. Obea war inzwischen aus den Federn gekrochen und hatte erstmal im Wohnzimmer das Radio angeschaltet. Sie stellte den Sender Harvest FM ein, dann ging sie zurück in ihr Zimmer, machte ihr Bett, fegte die Veranda, putzte die Zähne und behielt aus unerfindlichen Gründen die Zahnbürste im Mund, während sie den Frühstückstisch deckte.
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