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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
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aus Accra, Fofo. Geh. Geh weit weg von hier, wo er dich nie findet.»
    «Wovon redest du, Mutter? Geht es um Poison? Was will er von mir?»
    «Ach, Kind!» schluchzte Maa Tsuru. «Geh weg. Geh.»
    «Aber warum, Mutter. Warum?»
    «Weil sie Tiere sind. Sie kennen keine Gnade. Und mir sind die Hände gebunden. Bitte, tu mir den Gefallen und geh!»
    Fofo war ein vierzehnjähriges Mädchen, aber das Leben auf der Straße hatte eine frühreife Erwachsene aus ihr gemacht. Sie war ein Kind und eine erwachsene Frau gleichzeitig. Am liebsten hätte sie Maa Tsuru ordentlich zurechtgestutzt. Doch sie hielt sich zurück. Sie wurde immer noch nicht recht schlau aus ihrer Mutter.
    «Warum soll ich denn weggehen, Mutter? Und wer sind sie?»
    Maa Tsuru wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab und putzte die Nase in das Bettuch. «Es geht um Baby T», sagte sie schließlich.
    «Baby T?»
    «Ja. Maami Broni…»
    «Die Dicke, bei der sie lebt?»
    «Ja. Sie kam vergangene Woche hierher.»
    «Und? Kommt sie nicht manchmal, um…»
    «Ich weiß, Fofo. Ich weiß, ach Gott!»
    «Laß den lieben Gott aus dem Spiel, Mutter. Du hast gewußt, was du tust, als du dich für ihn entschieden hast und gegen…»
    «Es war ihretwegen.» Sie zeigte auf das Baby und den schlafenden Jungen. «Was hätte ich denn tun sollen?»
    «Das weiß ich nicht. Aber ich weiß: Baby T ist fort. Ich sehe sie nicht mehr. Wir wissen gar nicht, wie sie inzwischen aussieht. Und für was das alles, Mutter? Für was?»
    Maa Tsuru hatte darauf keine Antwort. Sie wischte erneut die Tränen von ihrem Gesicht: «Es ist etwas passiert, Fofo.»
    «Es passiert doch immer was, oder? Immer. Und wenn ich nicht so schlau gewesen wäre, rechtzeitig von zu Hause wegzugehen, wer weiß, wozu ihr mich noch gebracht hättet. Stimmt doch, oder?»
    Maa Tsuru mußte husten. «Ich habe nicht die Kraft, um mit dir zu streiten, Fofo», sprach sie langsam. «Und selbst wenn ich sie hätte, würde ich es nicht tun.»
    Fofo schwieg.
    Maa Tsuru fuhr fort: «Letzte Woche wurde eine Leiche hinter dem blauen Rasta-Frisörkiosk in Agbogbloshie gefunden. Hast du davon gehört?»
    «Werden da nicht dauernd Leichen gefunden, genau wie die abgetriebenen Föten in Sodom und Gomorrha? Das sollen Neuigkeiten sein? Naja, für Leute wie dich, die in ordentlichen Häusern leben, vielleicht. Was?»
    Maa Tsuru ignorierte den Sarkasmus, sie wollte kein weiteres Wortgefecht eröffnen, denn was sie ihrer Tochter zu sagen hatte, kam schon einer Kriegserklärung gleich. «Maami Broni ist nicht gekommen, um mir Geld zu geben, Fofo. Sie ist gekommen, weil sie Angst hatte.»
    Fofo runzelte die Stirn.
    «Da sie diejenige war, der ich Baby T anvertraut habe, ist sie gekommen…»
    «Worum geht es, Mutter?»
    «… um es mir zu sagen.»
    «Um dir was zu sagen?»
    «Daß der Leichnam hinter dem Frisörsalon…»
    Fofo machte große Augen. «Baby T?»
    Maa Tsuru zitterte.
    Fofo saß da und starrte sie an. Es tat nicht weh. Nicht einmal wütend wurde sie. Vor ihrem geistigen Auge zog das Leben ihrer Schwester vorbei. Baby Ts vom Weinen geröteten Augen, Baby T mit ihren Siebensachen, die sie in ein altes Kopftuch gebunden hatte und in ihrer rechten Hand hielt, als sie Maami Broni aus dem Compound folgte. Sie war selbst überrascht über ihre Gelassenheit, als sie fragte: «Mutter, was ist hier los? Was habe ich damit zu tun? Welche Rolle spielt Poison dabei?»
    «Er wurde sauer, als er mitbekam, daß mich Maami Broni besucht hatte. Ihm war klar, daß sie mir alles verraten hatte.»
    «Baby T ist also wirklich tot?»
    Maa Tsuru nickte wieder.
    «Meine Schwester wohnt erst bei Maami Broni. Dann stirbt sie. Also kommt Maami Broni zu dir, um dich darüber zu informieren. Dich, ihre Mutter. Und deshalb wird Poison sauer? Und deshalb versucht er, mich zu vergewaltigen? Das ergibt keinen Sinn für mich. Was hat das alles zu bedeuten?»
    «Er ist zu mir gekommen, Fofo. Er ist hierher gekommen.»
    «Was?»
    «Er ist zu mir gekommen und hat mich zu einer Aussätzigen gemacht.»
    «Deshalb hat also die Frau Odarley nicht gegrüßt?»
    «Ja. Und deshalb sollst du auch von hier verschwinden. Denn er hat mir gesagt, daß er dich finden wird.»
    «Mich?»
    «Ja. Und er hat geschworen, Baby T durch dich zu ersetzen, wenn wir ihn verärgern.»
    «Ersetzen? Ihn verärgern? Was redest du da, Mutter? Was redest du um den heißen Brei herum?»
    «Versteh doch, Fofo. Bitte, geh fort.»
    «Das ist alles, was du mir zu sagen hast? Geh, geh
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