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Die Geschichte von Liebe und Sex

Titel: Die Geschichte von Liebe und Sex
Autoren: Lutz van Dijk
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aufstehen darf, gehen wir zurück. Er sieht das genauso. Die Leute hier verstehen uns nicht.
    Es fängt schon bei den Namen an. Wir haben keine unterschiedlichen Namen für Jungen und Mädchen. Ich könnte genauso gut wie meine Schwester Malina – die Sonne – heißen, und meine Schwester auch Nanuk. Mein Vater heißt Anuk, der Bär, und wir haben keinen Familiennamen. Im Krankenhaus haben sie deshalb am Anfang ein Riesentheater gemacht und Vater beinahe nicht aufgenommen.
    Hier im Krankenhaus habe ich einen dänischen Jungen kennengelernt, der ganz nett ist. Er hat zu mir gesagt, dass er niemals ein Mädchen sein wollte und schon gar nicht eine Frau. Ich habe geantwortet, dass ich das egal finde, weil beides Vor- und Nachteile hat. Hauptsache, man ist ein guter Mensch. Und ich habe ihm gesagt, dass Inuit einfach nur Mensch bedeutet. So wie wir nicht Grönland sagen, sondern Kalaallit Nunaat – Land der Menschen. Und den Namen, den uns andere gegeben haben, dieses blöde Wort Eskimo, weißt du, was das bedeutet? Rohfleisch-Fresser. So möchte doch wohl niemand genannt werden!
    Ich? Ich bin eben zuerst ein Mensch. Und ich bin ein Mann und eine Frau, das ist gut.«

*
Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen , München und Wien 1956.
**
Interview mit dem Autor. Anmerkung: Grönland war bis 1979 dänische Kolonie. Erst seitdem wurde den Grönländern innere Autonomie zugestanden. Noch in den 1970er-Jahren schrieb die dänische Regierung den rund 50 000 Inuit vor, sich Familiennamen zuzulegen.

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|30| Der nackte Affe
    Vom Urmenschen zum modernen Menschen hat unsere Art – zumindest äußerlich – in erdgeschichtlich kürzester Zeit eine ungeheure Entwicklung vollzogen. Liebe und Sex gehören dabei von Anfang an zu den elementaren Bedürfnissen der Menschheit. Inwieweit sind wir diesem Bedürfnis wie vor 200 .000 Jahren ausgeliefert? Wo haben intellektuelle Anstrengungen und kulturelle Traditionen uns geholfen, den Trieb nicht nur zu beherrschen, sondern besser zu verstehen und für die menschliche Entwicklung zu nutzen?
    Der britische Verhaltensforscher Desmond Morris schreibt 1968 über die elementaren Antriebe des Menschen
    Desmond Morris (*1928) kritisiert in seinem berühmten Buch Der nackte Affe , dass wir zwar einerseits nicht müde werden, hohe Ideale zu verkünden, aber in vielen bewussten und unbewussten Bedürfnissen entwicklungsgeschichtlich noch immer von eher elementaren Antrieben nach Sex oder Nahrung gesteuert werden:
    »Es gibt 193 Arten heute lebender Affen, Tieraffen (wie Meerkatze und Pavian) und Menschenaffen (wie Gorilla, Schimpanse und Orang-Utan). Bei 192 ist der Körper mit Haar bedeckt; die einzige Ausnahme bildet ein nackter Affe, der sich selbst den Namen Homo sapiens gegeben hat. Dieser ebenso ungewöhnliche wie äußerst erfolgreiche Affe verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, sich über seine hohen Zielsetzungen den Kopf zu zerbrechen, und eine gleiche Menge Zeit damit, dass er geflissentlich über seine elementaren Antriebe hinwegsieht.« *
    Desmond Morris erklärt die lange Kindheit des Menschen – die längste aller uns bekannten Lebewesen – damit, dass wir viel Zeit zum spielerischen Lernen benötigen, um das im Lauf der Evolution größer gewordene Gehirn voll zu entwickeln. Damit die Kinder über viele Jahre geschützt aufwachsen können, musste dafür gesorgt sein, dass die Eltern eine stabile Paarbindung eingehen. Als Bindemittel für eine dauerhafte Beziehung sei die sexuelle Anziehung der Partner entstanden. »Der nackte Affe ist der |31| von allen Primaten am meisten geschlechtsbetonte«, schreibt Desmond Morris in seinem Buch. »Sagen wir ruhig: der sexyste Affe.«
    Er weist weiter nach, dass Sex in der frühen Menschheitsgeschichte niemals allein der Fortpflanzung diente, sondern immer auch der Sicherung sozialer Beziehungen zwischen Menschen, die für die Aufzucht von Jüngeren verantwortlich sind. Nach seinen Studien entwickeln sowohl Männer als auch Frauen von früh an verschiedene Verhaltensweisen, mit denen sie sich für mögliche Partner attraktiv machen (bei Tieren ist dies in aller Regel auf das Brunst- und Imponiergehabe der Männchen zu bestimmten Zeiten im Jahr beschränkt). Äußerliche Merkmale unterstützten diesen Trend: Kein anderer Menschenaffe hat beispielsweise so große Geschlechtsorgane wie ausgewachsene Frauen und Männer. Auch unsere Fähigkeit, sexuelle Lust von der Kindheit bis ins hohe Alter zu empfinden, und
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