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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Riten, vollziehen die Opferhandlungen und schneiden die Misteln – jene heiligen Zweige, die im Glauben der Kelten Krankheiten heilen und Fruchtbarkeit bringen sollen. Und ihre Kämpfer sind berüchtigt. Für die Römer ist deren Brauch, die Schädel der Besiegten zu balsamieren und bei Gelagen stolz herumzuzeigen, die reine Barbarei. Doch bei aller Grausamkeit und allem Kampfesmut sind die Kelten auch ein handwerklich geschicktes Volk. Von den Griechen und Römern übernehmen sie die Geldwirtschaft. Bald wird das Eisen, das sie vor allem in Gallien verhütten, für sie zum wichtigsten Metall. Die Werkzeuge und Kultgegenstände aus diesem Material sind mit hoher Kunstfertigkeit hergestellt, wie die zahlreichen Funde in den ausgegrabenen keltischen Kultstätten zeigen – das fein gearbeitete und vergoldete »Kultbäumchen von Manching« aus dem 3. Jahrhundert vor Christus beispielsweise, das in den Überresten einer großen keltischen Siedlung nahe Ingolstadt gefunden wurde und heute in der Archäologischen Staatssammlung in München aufbewahrt wird, ist eines von vielen Kunstwerken, die uns erhalten geblieben sind.
    Die Kelten schenken Mitteleuropa den Mahlstein und die Töpferscheibe. Deutliche Spuren ihrer Sprache sind noch heute in Irland, Schottland, der Schweiz und Nordfrankreich zu finden, wo nach wie vor von einer Minderheit Gälisch, Rätoromanisch und Bretonisch gesprochen wird. Viele Namen von Flüssen, Bergen und Städten sind wahrscheinlich keltischen Ursprungs: Rhein, Taunus oder Bonn. Im Namen des Flusses Main klingt die keltische Siedlung Menosgada an; die Stadt Paris verdankt ihren Namen den keltischen Parisii; die Kelten haben sich hier einen Stützpunkt eingerichtet.
    Die keltische Sagenwelt hat die Fantasie der modernen Menschen auf besondere Weise angeregt. Die Fantasy-Autoren erobern seit Jahren mit dem Kampf um Gerechtigkeit und Liebe in der Welt des Nebels, der dunklen Bergseen und der Felsenkliffs, an denen die schäumenden Wellen zerschellen, die Bestsellerlisten, und Der Herr der Ringe hat die Menschen scharenweise ins Kino gelockt. Aber die Welt, die uns dort begegnet, ist nicht die wirkliche Welt der Kelten. Ihren Alltag können die Archäologen anhand der Ausgrabungsfunde nachvollziehen |17| . Ihre Denkweise, Geschichte und religiösen Vorstellungen finden wir in den Legenden und Sagen, die irische und britische Mönche im 5. Jahrhundert zu sammeln beginnen. Sie sind es, die das Leben der Menschen in Erinnerung gehalten haben, die an der Wiege Europas stehen. Die Geschichte des Rinderraubs von Cuailuge handelt zum Beispiel davon, wie der Held CúChulainn und die anderen Krieger von Ulster sich gegen Angreifer aus Connaught verteidigen, die im Auftrag ihrer Könige den berühmten Bullen von Cuailuge (Cooley) rauben sollen. Nur CúChulainn ist nicht durch einen Fluch geschwächt und kann den Gegnern standhalten. In den Schwanenkindern des Lir werden die geliebten Kinder eines Königs von der Stiefmutter in Schwäne verwandelt. Auch die Erzählungen über den legendären König Artus und seine Tafelrunde stammen aus dem keltischen Sagenkreis: Der Herrscher mysteriöser Herkunft schlägt erfolgreich viele Schlachten und steht dabei unter dem besonderen Schutz des Zauberers Merlin. Schließlich wird er im Kampf gegen seinen Neffen Modrod, welcher ihn um Reich und Gattin betrogen hat, schwer verwundet und zur Heilung auf die Feeninsel Avalon gebracht. In der Dichtung des Mittelalters wird der Artus-Hof, dessen Mitglieder stets an einem runden Tisch sitzen, damit keiner einen besseren Platz haben kann als ein anderer, zum Ideal des Rittertums.
    Zu verdanken sind diese Überlieferungen wohl vor allem dem irischen Nationalheiligen St. Patrick. 385 in England geboren, wird er in jungen Jahren von irischen Seeräubern entführt und nach Nordirland verschleppt. Dort hütet er sechs Jahre lang die Schafe seines Herrn. Später missioniert er als Mönch die Bewohner der irischen Provinzen Connaught, Ulster, Leinster und Munster. Irische und britische Mönche werden es sein, die dann Nord- und Mitteleuropa christianisieren. Von den alten keltischen Ländern Irland und Britannien aus findet das nördliche Abendland so den Weg zum Christentum. Der heilige Patrick hat aber auch ein kleines kulturelles Wunder vollbracht. Obwohl bekennender und missionierender Christ erkennt er den Wert der nationalen heidnischen Epen und erhält sie der Nachwelt. Nur wenige Missionare haben eine solche Toleranz gegenüber
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