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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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vermuten würde.
    SPIEGEL: Mögen Sie da überhaupt noch eine Antwort geben auf die Frage: Wann ist es mit den Germanen vorbei?
    Meier : Sprachlich gesehen sind wir immer noch Germanen. Das Wort »Germane« verschwindet in den Quellen aber schon im 4. Jahrhundert, ziemlich früh. Dazwischen dürfen alle sich das Passende aussuchen.
    SPIEGEL: Professor Meier, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

TEIL I
DIE URSPRÜNGE

Reicher Bauer, großer Stall
    Archäologen haben Siedlungen, Opferstätten und andere Spuren der Germanen entdeckt. Erkenntnisse über deren Lebensweise lassen sich daraus aber nur schemenhaft ableiten.
    Von Angelika Franz
    »Nehmen Sie im Bachtal Rücksicht auf die Tiere!«, bittet die dänische Tourismuszentrale Besucher des Illerup Ådal, eines Naturschutzgebiets rund 20 Kilometer südwestlich von Århus. Es ist ein idyllischer Ort. Sumpfige Moorwiesen wechseln sich mit schattigen Hainen ab, Fauna und Flora können hier ungestört leben. Doch in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ging es im hübschen Illerup Ådal weniger um das Leben als um den Tod. Dicht unter der Torfdecke liegen Hunderte von Leichen. Das Illerup Ådal ist nicht nur ein Naturschutzgebiet, sondern auch die größte bekannte Stätte für Menschenopfer in Nordeuropa. Ganze Heere brachten die Menschen hier ihren Göttern dar.
    Aber nicht nur die Knochen geopferter Krieger liegen hier, sondern auch über 15000 Teile ihrer Waffen, Schilde und persönliche Gegenstände. Nach mindestens vier Schlachten wurden in den Jahren zwischen 200 und 500 nach Christus Schwerter, Speere und Schilde der Besiegten in dem flachen See versenkt, der damals das Bachtal ausfüllte. Bevor die Sieger sie, in Stoffbündel gewickelt, von Booten aus in den See warfen, zerhackten sie die Waffen – so gründlich, dass keine Menschenhand sie mehr würde führen können.
    Nur wer hat hier wen geopfert? Und warum? Schriftliche Berichte von auch nur einem der Gemetzel gibt es nicht. Kein Heldenlied erzählt von den Taten der Triumphierenden, kein Klagelied schildert die Leiden der Unterlegenen. Alles, was wir heute über die Geschehnisse im Illerup Ådal wissen, haben Archäologen mühsam anhand der Funde rekonstruiert.
    Die meisten der Waffen stammen aus der ältesten Opferung, dem sogenannten Fundplatz A. Ihre Geschichte beginnt an einem Tag im frühen 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Etwa 1000 Mann brachen in rund 50 Booten von der Westküste der skandinavischen Halbinsel gen Süden auf. Sie ruderten das Kattegat hinunter bis zur Ostküste Jütlands. Doch auf die Männer wartete keine fette Beute, sondern Sklaverei oder der Tod. Die Angegriffenen müssen gewarnt und gut vorbereitet gewesen sein. Sie empfingen die Eindringlinge aus dem Norden, wehrten die Attacke ab, besiegten und entwaffneten schließlich die feindlichen Krieger. Zusammen mit den Waffen mussten die Unterlegenen auch abgeben, was sie bei sich trugen. So gelangten vor allem Kämme und Feuerzeuge in die Opferbündel und schließlich auf den Grund des Sees.
    Diese persönlichen Gegenstände waren es, die den Archäologen schließlich die entscheidenden Hinweise auf die Herkunft der Angreifer gaben. Denn die Kämme waren aus Geweihen von Rentieren oder Elchen gefertigt – beides Tierarten, die im Illerup Ådal nicht vorkamen. Und die Steine, auf denen die Angreifer mit dem Eisen das Feuer schlugen, waren Quarzite. Im Illerup Ådal benutzte man dazu Flint, den klassischen Feuerstein. Den aber gab es auf der skandinavischen Halbinsel nur selten, also behalf man sich dort mit Quarzit. Rentiere, Elche und Quarzit: Die Spur führte nach Westskandinavien.
    An den Waffen dagegen ließ sich kaum etwas erkennen. Die Soldaten hatten anscheinend von Händlern gekauft, was gerade im Angebot war – oder auf Raubzügen eingesammelt, was sie den Händen der Feinde entwinden konnten. Speere, Lanzen und Schilde stammten aus dem gesamten skandinavischen Raum. Unter den Schwertern und Schwertscheiden fanden sich aber auch etliche, die ursprünglich für römische Soldaten hergestellt worden waren. So zusammengewürfelt ihr Arsenal aussah – bei den Angreifern handelte es sich um alles andere als um einen marodierenden Haufen. Davon zeugt, wie die Waffen ihrer Qualität nach auf die Krieger verteilt waren.
    An der Spitze der Truppe standen Heerführer, erkennbar an ihren prunkvollen Schilden mit Buckeln – dem zentralen Hand- und Griffschutz – aus Gold und Silber. Sechs Stück bargen die
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