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Die gepluenderte Republik

Titel: Die gepluenderte Republik
Autoren: Thomas Wieczorek
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Krankenhäusern – hinterher ist das Geschrei der Politheuchler groß. Dabei ist die Desasterserie kein Wunder: Das hochtrabende Wort
Investor
bezeichnet ja nur einen Menschen, der Geld irgendwo hineinsteckt und es ohne einen eigenen Handschlag optimal vermehrt haben will: Auch ein Lottospieler ist in diesem Sinne ein
Investor
.
    Unterm Strich bestätigt sich die alte Volksweisheit: Nur die Reichen können in einem armen Staat leben. Während die Supermarktkassiererin Emma Krause und der Möbelpacker Erwin Lehmann kaum die Schulbücher für ihren Nachwuchs bezahlen können, vergnügen sich die Berufssöhne und -töchter der »Besserverdiener« am Swimmingpool Schweizer Elitegymnasien, lassen ihre geistige Unterbelichtung durch Heerscharen von Privatlehrern therapieren und haben ja ohnehin schon eine Lebensstellung als Nachfolger in Papis Firma sicher. Oder?
    Hinzu kommt das streng gehütete Mysterium der Gläubigerdes hochverschuldeten Staates. Die Antwort auf die Frage, wer am Ende wirklich die Zeche zahlt, lautet nämlich: Da die Staatsschulden vorwiegend aus Staatsanleihen, Bundesschatzbriefen und Ähnlichem bestehen, sind es die Bürger selbst. Wobei wir wieder beim Problem landen, wer denn »die Bürger« überhaupt sind. Besitzt eine alleinerziehende Mutter mit einem Putzfrauenjob genauso viele Staatsanleihen wie ein Milliardenerbe, ein Großkonzern oder eine FDP-Bundestagsabgeordnete? Nimmt man noch die simple Tatsache hinzu, dass Bundesschatzbriefe jeder kaufen kann, also auch russische Wirtschaftskriminelle oder nahöstliche Emirate, wird es vollends undurchsichtig.
    Was dem Normalbürger bleibt, ist die Gewissheit, letztendlich auf der Rechnung sitzenzubleiben und sie begleichen zu müssen.
    Die besondere Pointe dabei ist, dass es sich bei der geplünderten Republik keinesfalls um eine Fehlentwicklung, sondern um die klassische Form unserer innig geliebten Marktwirtschaft handelt. Alle anderen Varianten der Erklärung folgen der Logik: »Wasch mich, aber mach mich nicht nass.«
     
    Den inneren – und auch logischen – Zusammenhang von Marktwirtschaft und Ausplünderung der Gesellschaft erhellte im Sommer 2009 der große Skandal um die Halbgötter in Weiß. »Ärzte sahnen bei Klinik-Einweisungen ab«, gab der der
Focus
preis. 2 So bezahlten Kliniken nach Insider-Angaben immer öfter Ärzte, wenn sie ihnen Kranke zur Behandlung schicken. Medizinische Gründe stehen dabei offenbar kaum im Vordergrund. Krankenhäuser zahlen nach Recherchen der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung
für einen Patienten, der eine neue Hüfte bekommt, bis zu eintausend Euro. Und mittlerweile sei dies in allen Fachrichtungen üblich. »Dass niedergelassene Ärzte von Krankenhäusern Prämien für die Einweisung von Patienten erhalten, ist ein unfassbarer Skandal«, moniert der Vorstandder Patientenschutzorganisation
Deutsche Hospiz Stiftung,
Eugen Brysch.
    Ebenso kritisiert die
Deutsche Gesellschaft für Urologie
(DGU), vor allem in Ballungsräumen sei die Konkurrenz unter den Kliniken groß. Die Häuser gingen zunehmend dazu über, Ärzte für Patienten mit bestimmten Diagnosen zu bezahlen. Laut DGU handelt es sich um Summen, die das 10- bis 20-Fache des normalen Honorars für Urologen pro Quartal und Patient ausmachen. Dabei ist die DGU noch eher höflich: »Ob die Zuweiser die Prämie fordern oder annehmen – es bleibt ein juristisch und ethisch überaus fragwürdiges Prozedere.« Deutlicher wird da schon Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Geld für eine Einweisung zu nehmen, sei »total verboten«. Doch die Medizin sei in hohem Maß kommerzialisiert. »Da halten die Ehrenkodexe nicht mehr.«
    Patientenschützer Brysch nennt auch »die Opfer solcher Machenschaften«, nämlich »in erster Linie die Schwerstkranken und Sterbenden«. In ihren letzten Lebensmonaten würden sie im Schnitt fünfmal zwischen Pflegeheim und Krankenhaus hin und her überwiesen.
    Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass trotz des Ansteigens der Arbeitsproduktivität und des gesamtgesellschaftlichen Reichtums neben dem Einkommen auch die Lebensqualität der Normalbürger rapide abnimmt und dass dies offenbar ein Grundgesetz der Marktwirtschaft ist.
     
    Die Plünderung der Gesellschaft hat viele Gesichter unterschiedlichster Größe und Qualität, wobei den Rettungsschirmen für Banken und die Realwirtschaft der eindeutige Spitzenplatz zukommt. Den Staat wegen seiner »Einmischung« beschimpfen, in der selbstverschuldeten Not aber Geld von ihm nehmen
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