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Die gepluenderte Republik

Titel: Die gepluenderte Republik
Autoren: Thomas Wieczorek
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durchschnittlichen DAX-Kurs von 8641 Punkten – in Wahrheit liegt er mit 4779 Punkten um 45 Prozent niedriger.
    Und dass auch Normalbürger darauf hereinfallen, wäre niemals möglich gewesen ohne die rating- und analystenhörige Presse. So würdigt selbst die ehrwürdige und elitäre
FAZ
(»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf«) noch am 6. Mai 2009, also nachdem diese »Experten« längst aufgeflogen sind, die Einstufung von fünf deutschen Landesbanken durch die US-Agentur
Standard & Poor’s (S&P)
und übernimmt deren kryptische »Analyse« – so kritiklos wie der Duckmäuser die Meinung des Chefs: »Landesbanken verlieren an Kreditwürdigkeit«, lautet der Titel ohne den geringsten Nachweis, denn wie das meist falsche Rating zustande kommt, ist ein größeres Geheimnis als das Rezept von Coca-Cola. Stattdessen werden wie gehabt blinder Hellseherglaube und seine fatalen Folgen demonstriert: »BayernLB, HSH Nordbank und WestLB werden nun nur noch mit der Bonitätsnote ›BBB+‹ bewertet … Sie bekommen mit diesem schlechteren Rating von Anlegern nur noch Kapital gegen deutlich höhere Zinskosten, wenn überhaupt.« 27 Wieso kaufen sich die Redakteure und Anleger eigentlich keine Glaskugel und machen sich die Ratings selber?
    Nun springt einem aber die Möglichkeit des bewussten Missbrauchs ins Auge. Mögen auch die Rating-Agenturen fachlich keinen Schimmer haben, so heißt dies noch lange nicht, dass sie nicht – aus eigenem oder bezahltem fremdem Interesse – Konzerne, Banken oder selbst ganze Staaten zu hoch oder zu niedrig bewerten. Und es bietet sich ja geradezu an, vor allem ärmere Länder damit zu erpressen: Der Broker Dirk Müller warnt davor, zu unterschätzen, »welche unvergleichbare Machtdiese Rating-Agenturen in den Händen halten. Diese Firmen entscheiden mit ihren Lageeinschätzungen über das Wohl und Wehe jedes größeren Unternehmens dieser Erde und nicht zuletzt über Aufstieg und Niedergang ganzer Regierungen und Staaten.« 28

TEIL II
Der Steuerzahler hat’s ja – Die Rettungspakete
     
    Als der Sohn zum ersten Mal auf Schlittschuhen den zugefrorenen Dorfteich betritt, will der Vater ihn an die Hand nehmen. »Misch dich nicht ein!« war die Antwort. »Ich komm gut allein zurecht.« Kurz darauf brach er ein, zappelte im eiskalten Wasser und schrie nach dem Vater.
    So ähnlich ist es mit den Banken und der Industrie. Gestern noch verbaten sie sich jegliche Einmischung von Vater Staat in die Wirtschaft, heute fordern oder erbetteln sie vom selben Staat großzügige Hilfen. Dies freilich war nie anders, man denke nur an die Subventionen für Bergbau und Landwirtschaft oder an die bis zu zwei Milliarden Euro, mit denen der Staat jährlich in Form der »Riester«-Zuschüsse die privaten Rentenversicherer sponsert.
    Und selbst die Neoliberalen wollten keineswegs, dass der Staat sich wirklich aus allem heraushalte, sondern forderten von Anfang an seine aktive Einmischung zum Wohle des »freien« Marktes. »Nichts dürfte dem Liberalismus so sehr geschadet haben«, schrieb Hayek schon 1944, »wie das starre Festhalten … an dem Prinzip des Laissez-faire.« 29 Deshalb stellen die historisch beispiellosen Bankenrettungsmaßnahmen keine Veränderung, sondern eine Bestätigung der neoliberalen Doktrin dar: Der Staat garantiert die Existenz und die Gewinne der Banken gerade dann, wenn sie bankrott sind. Damit übernimmt er die Maximen der Krisenverursacher ohne wesentliche Korrekturen noch direkter als zuvor.
    Zu den Phänomenen der Krise gehört es, dass nicht nur diefalschen Propheten von gestern auch heute wieder ihren unterirdischen Schmarrn zum Besten geben dürfen, sondern dass auch die »Bankster« und Versager das Staatsgeld in die Hand bekommen. Daher sind die damalige Große Koalition als Verteiler und die Konzernbosse als Empfänger von Steuergeldgeschenken namens Rettungsfonds für Werner Rügemer »Brandstifter als Feuerwehr«. 30
    Bezeichnend dabei: Für das Wertschöpfung vermittelnde, aber selbst keinerlei reale Werte schaffende Finanzkapital werden 480 Milliarden Euro bereitgestellt, für den eigentlich produktiven Sektor aber mit »nur« 50 Milliarden nur etwas mehr als ein Zehntel. Übrigens beträgt der Etat für Forschung und Bildung nur lausige 10,20 Milliarden Euro.
     
    Die Zeitschrift
Focus
– »Fakten, Fakten, Fakten« – führt dankenswerterweise vor, was man allein mit zehn Milliarden Euro machen könnte, anstatt sie zur Reparatur unserer Variante von Marktwirtschaft
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