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Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Titel: Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Autoren: Werner Gruber
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letzte Mal besser war oder die Zutaten frischer waren, gilt nicht. Wiederholbarkeit bedeutet, dass Sie eben wieder nur frische Zutaten verwenden sollten.
    Bei der Vorhersagbarkeit ist es in der Küche schwierig. Im Bereich des Geschmacks kann man leider keine Vorhersagbarkeit treffen, da die einzelnen Aromen miteinander harmonieren können oder auch nicht. Das kann man nur durch Ausprobieren feststellen. Wer hätte geglaubt, dass Vanilleeis und Kürbiskernöl zusammenpassen? Ich, ehrlich gesagt, nicht. Trotzdem wurde es ein Renner. Bezüglich des Geschmacks ist im Moment noch keine echte Vorhersagbarkeit möglich, aber die Lebensmitteltechniker arbeiten daran.
    Bei den anderen Parametern von Speisen, wie der Luftigkeit von Torten oder der Mürbheit von Fleisch oder der Verteilung von Aromen, können sehr wohl Vorhersagen getroffen werden. Damit ist natürlich auch eine Widerspruchsfreiheit gegeben. Für die Aussage „Fleisch zieht sich ab einer Temperatur von über 80 °C zusammen“ darf es keine andere Theorie beziehungsweise kein anderes Experiment geben, die diese Aussage widerlegen. Sonst läge ein Widerspruch vor, und die schöne Theorie müsste durch eine neue ersetzt werden.
    Für die exakte Arbeit in der Küche benötigen wir auch exakte Angaben. Dass man die Zutaten abwiegen sollte, versteht sich von selbst. Auch gehen die Uhren in Europa überall gleich genau, und damit kann man die Zubereitungsdauer auch leicht bestimmen. Aber leider hapert es mit den Temperaturen. Man kann die Einstellungen einer Elektroherdplatte nicht mit den Einstellungen einer Gasherdplatte vergleichen. Die Unterschiede sind einfach zu groß. Die Elektroherdplatte wird langsam heiß, und sie bleibt noch lange warm, auch wenn sie schon längst ausgeschaltet ist. Bei der Gasherdplatte ist es wieder anders. Sie liefert immer eine hohe Temperatur, aber abhängig von der jeweiligen Einstellung kann nur die Größe des erhöhten Temperaturbereiches variiert werden. Dafür ist das Gas spritziger. In der Pfanne wird es sofort sehr heiß, daher kann man extrem gut Fleisch oder Gemüse braten.
    Zum Glück brauchen wir bei den Platten nicht so viele Einstellungen. Entweder wird die maximale mögliche Hitze benötigt, oder das Lebensmittel soll nur leicht köcheln. Das bedeutet, es dürfen nur ein paar oder überhaupt keine Dampfbläschen entstehen. Diese drei Einstellungen reichen in der Regel aus. Natürlich sind sie bei jedem Herd anders, und selbstverständlich macht es auch einen Unterschied, ob Sie einen großen oder einen kleinen Topf verwenden. Benötigen Sie aber genaue Temperaturangaben über den Kochvorgang, so messen Sie bitte nicht die Herdplatte, sondern messen Sie im Kochgut. Wenn Sie Wasser mit einer Temperatur von 62 °C benötigen, so messen Sie mit einem Thermometer auf halber Wasserhöhe die Temperatur.
    Ganz anders sieht es beim Backrohr aus. Ich habe Ihnen von den wunderbaren und köstlichen Rezepten meiner Mutter und auch den möglichst exakten Angaben zu den einzelnen Speisen erzählt. Als sie mir die Rezeptmappe überreichte, musste ich einiges sofort ausprobieren, vor allem ihre flaumigen Torten. Leider waren meine Ergebnisse nicht besonders berauschend. Nach etlichen Telefonaten zwischen meiner Mutter und mir konnten wir das Rätsel lösen. Unsere Backrohre stammten zwar vom selben Hersteller, aber ich musste Torten bei einer um 10 °C höheren Temperatur backen als meine Mutter.
    Nun sollte man meinen, dass die Temperatur von zum Beispiel 180 °C in Ansfelden genauso groß ist wie in Wien. Physikalisch ist das so. Die Temperatur ist vom Ort unabhängig. Aber leider ist der Regelmechanismus bei den Herden nicht unbedingt als perfekt zu bezeichnen. Ich habe Backrohre ausgemessen, bei denen die Temperatur vom eingestellten Wert um bis zu 20 °C abwich. Gerade für Torten macht es einen gewaltigen Unterschied, ob Sie eine Torte bei 180 °C oder bei 200 °C backen. Deshalb empfehle ich Ihnen, entweder einen sehr teuren Herd oder ein billiges Backrohrthermometer zu kaufen. Dieses gibt es schon ab fünf Euro, und es macht sich nach der ersten gelungenen Torte bezahlt. Diese Thermometer arbeiten ziemlich präzise, und nach ein paar Einsätzen wissen Sie auch ganz genau, wie die Einstellungen des Backrohrs zu wählen sind, damit im Inneren wirklich 180 °C herrschen.
    Wenn Sie sich schon ein Backrohrthermometer zulegen, so empfehle ich Ihnen auch gleich den Kauf eines Bratenthermometers, das man in den Braten hineinsticht.
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