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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt
Autoren: Nick Harkaway
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freundlicher Firmensitz und dabei sehr ironisch. Ich kann aber nicht darüber lachen. Das Gebäude ist groß, sogar riesig. Direkt davor parkt ein kastanienbrauner Rolls-Royce, den ich kenne. Der Bey. Wir wechseln einen Blick und beeilen uns. Erst wenn wir drinnen sind, beginnt der schwierigste Teil.
    Vor uns sind vier gut bewaffnete und gepanzerte Wächter. Sie verschwinden, als wir uns nähern – Vasilles Team war schneller. Er winkt uns zu. Baptiste Vasille ist über diese Situation begeistert. Ein typischer Franzose. (In den Hügeln vor der Fabrik springt ein weiterer Kastenteufel hoch: »IIIIIICH BIIIIIN JACKOOOOOO!« Dann knallt es, und eine frische Wolke Chilipulver breitet sich aus, gefolgt von wütenden Enten und Gänsen. Blitzlichter, Rufe, Verwirrung.)
    Der Wohnblock für Milchmanager, die zu Besuch kommen. Dort ist Panzerglas verbaut, und wie erwartet sind die Türen versperrt. Vasilles Gruppe hat zu diesem Zweck eine Kreissäge mitgebracht. Sie gibt ein ungeheures Kreischen und Knirschen von sich. Auf der anderen Seite des Geländes steckt Tobemory Trents Team irgendetwas in Brand, das weitere Alarmsirenen anschlagen lässt und uns Deckung bietet. Das kam genau im richtigen Augenblick. Wir gehen hinein. Ein Wächter kommt im Laufschritt, einer von Vasilles Leuten erledigt ihn mit einem Kopfschuss. Meines Wissens ist er der Erste, den wir überhaupt getötet haben, und ich fühle mich dabei nicht gut. Gonzo würde das anders sehen. Er ist Soldat einer Spezialeinheit, ein Profi. Vielleicht habe ich aber genau dies für ihn dargestellt: den Luxus zu bereuen. Der Wächter verliert kaum Blut; die Kugel steckt noch im Kopf. Es sickert nur langsam heraus.
    Hinter der Lobby ist es ruhiger. Der Boden besteht aus Marmor. Es gibt auch einen Springbrunnen und ein paar hochmoderne Stühle, die stilvoll um Kaffeetische gruppiert sind. Eine Reihe sehr alter Bonsaibäume ist hinter Glas geschützt. Dies ist ein teures Haus. Fünf Sterne. Ich bin nicht schick genug angezogen – ein schrecklicher Fauxpas. Jeden Augenblick wird der Oberkellner kommen und mir nahelegen, mich in mein Zimmer zurückzuziehen und etwas Passendes anzuziehen. Egal. Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken zu klären, und folge Elisabeth. (Trotzdem mache ich mir Sorgen – Unbehagen jeglicher Art ist immer eine Warnung. Ganz gleich, wie flüchtig die Angst auch war, ich bleibe vorsichtig. Irgendetwas stimmt hier nicht.) Samuel P. führt uns einen Dienstbotenflur hinunter.
    Endlose Gänge, Treppen, Sitzecken mit teuren Teppichen. Die Ablenkung funktioniert – die Wächter sind anderswo beschäftigt und achten nicht auf uns oder sind durch unangenehme Eingriffe verhindert. Erster Stock, zweiter Stock, dritter Stock. (Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich weiß nicht was. Es hat mit den Wächtern zu tun.) Gästezimmer. Vasille öffnet links eine Tür nach der anderen, Samuel P. auf der rechten Seite. Nein. Nichts. Weiter … die nächsten Türen. Den Bey suchen. Nein, nein, wieder nichts. (Irgendetwas fehlt hier … etwas ist falsch. Wächter, aber keine ernsthaften Schutzmaßnahmen. Sprengfallen? Nein, das nicht. Keine Weidenkätzchen. Benutze deine Nase … nein. Nein, das ist es auch nicht. Aber etwas stimmt nicht.)
    Samuel P. reißt eine Tür auf. Im Zimmer dahinter sind gleich fünf von ihnen. Große Kerle mit Pistolen. Zwei davon sitzen. Vasille springt hinein, es gibt ein großes Durcheinander. Seine Männer folgen ihm, ein Belgier und ein Spanier, die Fäuste fliegen nur so. Wir schalten uns ebenfalls ein. Es ist ein kurzer Kampf. Ich schlage noch nicht einmal zu, sondern ducke mich nur, und auf einmal ist mein Gegner verschwunden. Nicht schwer, sondern leicht. (Viel zu leicht. Diese Männer sind vielleicht kompetent, aber auch nicht mehr. Sie sind Soldaten. Humbert Pistill hatte nichts mit ihrer Ausbildung zu tun. Viel zu leicht. Ich warte darauf, dass der Groschen endlich fällt. Nichts.) Wieder werfe ich Elisabeth einen Blick zu. Sie weiß es. Auch in ihren Augen schimmert die Nervosität. Keine Furcht, sondern Vorahnung. Das Schwierigste liegt noch vor uns. Sie klopft an die Haupttür.
    »Hallo?«
    Die Tür öffnet sich einen Spaltbreit. Zaher Bey, grauer, schmaler und besorgter, im Bademantel. Dann fliegt sie ganz auf, er stößt einen Freudenschrei aus und tanzt ein wenig umher. Vasille heißt ihn jedoch schweigen und erklärt ihm, es sei nicht der richtige Moment, mordieu! Aber der Bey hüpft um Vasille herum. Es ist ja so lange, so
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