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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit
Autoren: Diana Gabaldon
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als Brianna ihn zur Rede stellte.
    »Was, zum Teufel, hast du vor?« fragte sie. Es klang wütend, aber nicht hysterisch. »Erst heißt es, du hast in den Highlands keine Angehörigen mehr, und jetzt kommst du mir mit dieser Cousine. Wer ist die Frau auf dem Foto?«
    Roger blickte in die Dunkelheit, als könnte er von dort eine
Eingebung bekommen, aber sie ließ ihn im Stich. So holte er tief Luft und nahm Briannas Arm.
    »Geillis Duncan«, sagte er.
    Sie blieb stocksteif stehen, und er konnte fast spüren, wie sich der Schock in ihr ausbreitete. Betont langsam löste sie ihren Ellenbogen aus seiner Hand. Das zarte Gewebe, das zwischen ihnen im Laufe des Abends entstanden war, war zerrissen.
    »Rühr mich nicht an«, zischte sie ihn an. »Stammt die Idee von meiner Mutter?«
    Obwohl er sich vorgenommen hatte, verständnisvoll zu sein, spürte Roger Ärger in sich aufsteigen.
    »Kannst du vielleicht auch mal an jemand anders als dich selbst denken?« fragte er. »Ich weiß, daß es für dich ein Schock war, und dafür hat jeder Verständnis. Und wenn du es nicht über dich bringst, dich damit auseinanderzusetzen, will ich dich nicht drängen. Aber du solltest auch mal an deine Mutter denken. An deine Mutter und an mich.«
    »Wie? Was hast du denn mit der ganzen Geschichte zu tun?« In der Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht sehen, doch sie war unverkennbar erstaunt.
    Eigentlich hatte Roger die Angelegenheit nicht noch zusätzlich verkomplizieren wollen, indem er sich und seine Vorfahren ins Spiel brachte, doch dafür war es nun offensichtlich zu spät. Claire hatte das zweifellos geahnt, als sie ihm geraten hatte, Brianna zu dem Besuch mitzunehmen.
    In einer plötzlichen Eingebung wurde ihm klar, welche Absichten Claire verfolgte. Es gab eine Möglichkeit, Brianna zu beweisen, daß ihre Geschichte wahr war. Sie hatten Gillian Edgars, die - womöglich - noch nicht in die Vergangenheit aufgebrochen war. Selbst der hartnäckigste Zweifler mußte sich überzeugen lassen, wenn er sah, wie jemand in die Vergangenheit entschwand. Kein Wunder, daß Claire soviel daran gelegen war, Gillian Edgars zu finden.
    Und so erklärte er Brianna in knappen Worten seine Beziehung zu der zukünftigen Hexe von Cranesmuir.
    »Entweder ihr Leben oder meins«, schloß er seine Ausführungen, wobei ihm nur zu deutlich bewußt war, wie lächerlich melodramatisch das klang. »Die Entscheidung hat deine Mutter mir überlassen. Und ich war der Meinung, daß wir Gillian wenigstens suchen sollten.«

    Brianna war stehengeblieben und hörte ihm zu. Im Schein einer Schaufensterbeleuchtung sah er, daß sie ihn anstarrte.
    »Dann glaubst du es also?« fragte sie. In ihrer Stimme schwangen weder Verachtung noch Ärger mit, sondern nur ein tiefer Ernst.
    Er seufzte und griff wieder nach ihrem Arm. Sie leistete keinen Widerstand, und so gingen sie einträchtig nebeneinander her.
    »Ja«, antwortete er. »Ich konnte nicht anders. Du hast das Gesicht deiner Mutter nicht gesehen, als sie die Worte las, die in ihren Ring eingraviert sind. Ihre Gefühle waren echt, so echt, daß es mir fast das Herz gebrochen hätte.«
    »Erzähl es mir«, sagte sie nach kurzem Schweigen. »Was steht in dem Ring?«
    Als er geendet hatte, waren sie auf dem Parkplatz hinter dem Pub eingetroffen.
    »Nun gut...«, meinte Brianna zögernd, »wenn...« Sie hielt inne und sah ihm in die Augen. Obwohl sie so nahe bei ihm stand, daß er die Wärme ihres Körpers spürte, streckte er die Arme nicht nach ihr aus. Der Friedhof von St. Kilda war weit entfernt, und sie wollten beide nicht an das Grab unter den Eiben erinnert werden, in dessen Stein die Namen von Briannas Eltern eingemeißelt waren.
    »Ich weiß es nicht, Roger«, sagte sie kopfschüttelnd. Das Neonschild über dem Hintereingang des Pubs ließ ihr Haar purpurrot aufleuchten. »Ich kann einfach nicht... ich kann noch nicht darüber nachdenken...« Ihre Stimme ließ sie im Stich, doch sie hob die Hand und strich ihm leicht wie eine Abendbrise über die Wange. »Aber ich denke an dich«, flüsterte sie.
     
    Genaugenommen ist ein Einbruch nicht weiter schwierig, wenn man sich im Besitz des Schlüssels befindet. Die Möglichkeit, daß Mrs. Andrews oder Dr. McEwan zurückkehren und mich auf frischer Tat ertappen würden, war verschwindend gering. Notfalls hätte ich immer noch erklären können, ich sei hier, um mein verlorenes Notizbuch zu suchen, und hätte die Tür unverschlossen vorgefunden. Zwar war ich ein wenig aus der
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