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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken
Autoren: Megan McFadden
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schweren Herzens. Keine Nacht wird sie schlafen vor Sorge, das Mütterchen, und mir hat sie aufgetragen …“
    „Jaja – ich weiß!“ Ungeduldig warf Natalja die Stoffserviette zwischen Teller und Schüsseln – von Marfas liebevoll zubereitetem Frühstück hatte sie kaum einen Bissen zu sich genommen. Sie erhob sich, um ans Fenster zu treten, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ärgerlich hinaus. Wie sie die weißen Nächte hasste – dieses fahle Licht, wie wässrige Milch, das trübsinnig durch die Vorhänge schien und Kopfschmerzen machte. Sie hatte kaum ein Auge zugetan in dieser Nacht.  
    Jefim tat einen tiefen Seufzer, denn er steckte in einer bösen Klemme. Das Vorhaben seiner jungen Herrin war geradezu irrwitzig. In den Ural sollte er sie fahren, nach Perm. Abgesehen davon, dass er selbst wenig Lust hatte, auf seine alten Tage solche Abenteuer zu unternehmen, war es so gut wie sicher, dass die Großmutter ihm den Kopf abreißen würde, wenn er dieser Laune der Enkelin folgte. Auf der anderen Seite konnte es natürlich sein, dass seine junge Herrin der armen Großmutter letztlich doch ihren Willen aufzwang. Dann war er, Jefim, der Dumme und würde wegen seines Ungehorsams gescholten werden. Ach – wie er es auch drehte, es würde auf jeden Fall schlecht für ihn ausgehen.  
    „Wenn Ihr Eurer Großmutter vielleicht ein klitzekleines Brieflein schreiben würdet, Herrin“, versuchte er, einen Ausweg zu finden, „sie wird gewiss rasch eine Antwort senden, und ich werde dann dem Befehl meiner lieben Herrin mit Freuden gehorchen. Bis nach Sibirien werde ich Euch fahren – wenn nur Elisaweta Antonowna mir dazu ihren Segen gibt.“
    Natalja kniff böse die Augen zusammen und fuhr fort, aus dem Fenster auf die dicht am Haus vorüberfließende Moika zu starren. Es war zum Verzweifeln: Oleg, ihr geliebter Oleg schmachtete in Perm im Kerker, und niemand war bereit, sich für ihn einzusetzen. Was für Feiglinge sie alle waren! Noch vor wenigen Monaten hatten die feinen Adelsfamilien sich förmlich um die Ehre gerissen, den Fürsten Oleg Pawlowitsch Petrow, den Nonpareil, auf ihren Bällen und Gesellschaften zu empfangen. Und jetzt, da er in Not war, wollte niemand mehr etwas von ihm wissen. Fürst Berjow riet ihr kaltblütig, die Verlobung zu lösen. Andrej Dorogin, dieser widerwärtige Kerl, hatte sie abgewiesen wie eine lästige Klette. Und jetzt auch noch Jefim!
    Ach, Oleg, dachte sie und musste die Tränen zurückhalten. Liebster Oleg – wenn auch alle dich verlassen haben, so bin ich dir doch treu. Ich werde alles wagen, sogar mein Leben einsetzen, um dir nahe zu sein und dein Los zu erleichtern.
    „Ich gehe ein wenig spazieren“, verkündete sie. „Sag Marfa, dass sie mir den blauen Schal und einen Hut bringen soll.“
    „Ich werde sogleich anspannen“, rief Jefim dienstfertig, hocherfreut, dass das leidige Thema Perm scheinbar vom Tisch war.
    „Ich werde zu Fuß gehen.“
    Gleich darauf eilte Marfa herbei, warf einen enttäuschten Blick auf den kaum angerührten Frühstückstisch und erklärte, sofort zu einem Spaziergang fertig zu sein.
    „Ich brauche dich nicht, Marfa“, beschied Natalja ungehalten, „ich werde allein gehen.“ Das fehlte noch, dass Marfa sie die ganze Zeit über bewachte und mit ihrem Geschwätz langweilte.
    „Allein? Aber das ist unmöglich, Herrin. Eine Dame allein auf einem Spaziergang durch die Stadt! Ich werde Euch wenigstens Sonja mitgeben, sie kennt sich aus in St. Petersburg und wird Euch nützlich sein.“
    „Bring mir Hut und Schal, Marfa, und lass alles andere meine Sorge sein!“ Nataljas Ton war jetzt energisch, fast zornig, und Marfa wagte keinen Einwand mehr. Sie wechselte einen entsetzten Blick mit Jefim, der nur hilflos die Schultern hob. Ach, wenn doch Elisaweta Antonowna im Hause gewesen wäre, sie hätte ihrer Enkelin solche Eskapaden gewiss ausgeredet.
    Natalja atmete befreit auf, als sie die Eingangsstufen des Hauses hinab auf die Straße schritt, gleichzeitig aber verspürte sie Herzklopfen. Von nun an würde sie ihres und Olegs Schicksal in die Hände nehmen, niemand würde ihr dabei helfen, sie war ganz und gar auf sich allein gestellt. Es war ihre Pflicht, das heilige Gebot der Liebe. 
    Mittlerweile schien die Morgensonne über der Stadt, gab Häusern, Kuppeln und Türmen bunte Farben und spiegelte sich gleißend in den Fensterscheiben. Natalja ging ein Stück an der Moika entlang und genoss es, ihren Weg ganz nach eigenem Willen und
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