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Die Geliebte des Gelatiere

Die Geliebte des Gelatiere

Titel: Die Geliebte des Gelatiere
Autoren: Daniel Zahno
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Kopf.
    »Ich kenne das Gelände. Nachts drehen dort Wachmänner mit Taschenlampen ihre Runden.«
    Offenbar hatte sie Erfahrung und kannte sich aus. Das machte sie in meinen Augen noch attraktiver. Als sie eine Zigarette geraucht und sich ein wenig beruhigt hatte, meinte sie, wir sollten zu ihr gehen. Diesen Stress unter freiem Himmel halte sie einfach nicht aus.
    »Und dein Vater?«, fragte ich.
    »Ach, wird schon irgendwie gehen«, sagte sie. »Du kommst nicht durch die Gasse, sondern mit dem Boot. Von der Anlegestelle vor unserem Haus kletterst du in mein Zimmer, das gleich darüber liegt. So musst du nicht durch die Wohnung, und niemand merkt, dass du überhaupt da bist.«
    Die Sache war mir nicht geheuer. Aber da ich ihr am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte, willigte ich ein. Vielleicht hatte mir das Schicksal diese Hindernisse in den Weg gestellt, damit ich sie überwand. Vielleicht war das alles nötig, um ein Mann zu werden.
    Wir gingen zu dem leicht heruntergekommenen Palazzo, den sie mit ihren Eltern bewohnte. Von einer Gasse auf der anderen Seite des Kanals zeigte sie mir die Anlegestelle und ihr Fenster. Ich prägte mir alles genau ein. Sie verschwand, um von hinten in den Palazzo zu gelangen, und ich borgte mir ein altes Holzboot, das ich am Morgen wieder zurückbringen wollte. Vorsichtig paddelte ich zur Anlegestelle, machte das Boot fest, kletterte über den Pfahl und ein Gitter zu ihrem Fenster hoch, wo sie mir ihre Hände entgegenstreckte, um mich ins Zimmer zu ziehen. Zusammen fielen wir auf den schweren alten Teppich. Wie ein Knäuel lagen wir da und küssten uns. Rundum hatte sie Kerzen angezündet, Flammen flackerten, rauchten und erinnerten an Weihnachten oder eine Kirche. Ein Tempel, ein Wallfahrtsort für Sex, dachte ich. Als ich etwas sagen wollte, hielt sie mir den Zeigefinger vor den Mund und schärfte mir ein, nicht zu sprechen, es wäre der Teufel los, wenn ihr Vater etwas merkte. Wir dürften höchstens flüstern. Auf keinen Fall dürfe ich ins Bad auf die Toilette, die neben dem Schlafzimmer der Eltern liege.
    Mit dem Schweigen oder Flüstern konnte ich leben. Das Kloverbot hingegen war problematisch. Ich wusste, dass ich mindestens einmal in der Nacht auf die Toilette musste. Aber fürs Erste war ich froh, bei ihr zu sein. Wie Mondsüchtige tanzten wir im Schein der Kerzen durch das Zimmer, taumelten über den Teppich, stolperten über rosarote Plüschtiere, während draußen der Scirocco tobte. Nach einer Weile machten wir es uns in einem blauen Polstersessel bequem. Als ich unter ihrer Bluse ihre Brust fühlte, konnte ich meine Erregung kaum mehr aushalten.
    Nachdem es im Sessel etwas unbequem geworden war, wechselten wir auf ihr altes französisches Bett. Sie zog mich aus, ich zog sie aus. Sie mochte es, wenn ich sie überall küsste, lieb-
koste, streichelte. Ich hielt sie, drückte sie ganz fest an mich. Ich konnte es kaum erwarten, mit ihr zu schlafen. Mein Glied war so hart, dass es schmerzte. Aber als ich auf ihr lag, machte sie plötzlich ein sehr ernstes Gesicht.
    »Hör mal, Alvise, ich mag dich wirklich sehr, aber wir
müssen nichts überstürzen, ja?«
    »Nichts überstürzen?«
    »Nein.«
    »Was meinst du?«
    »Das, was ich sage.«
    Ich schluckte.
    »Es ist nicht, dass ich es nicht möchte, aber ich habe gerade den Eisprung und keine Lust, schwanger zu werden, verstehst du?«
    Benommen lag ich da und nickte. Natürlich verstand ich. Ich war der, der immer verstand. Schon immer hatte ich immer alle verstanden. Aber vielleicht hatte sie ja recht. Wir mussten nichts überstürzen. Am ersten Abend gleich im Bett zu landen war ein bisschen schnell. Und es machte mich auch glücklich, sie zu halten und ihre Wärme zu spüren.
    Eng umschlungen lagen wir da. Nach einer Weile schlief sie ein. Sie schien wilde Träume zu haben, gab Laute von sich, die ich nicht verstehen konnte. Es klang weder nach Italienisch noch Englisch. Schließlich beruhigte sie sich. Dann fing sie an, leise zu schnarchen.
    Ich war hellwach. Alles Mögliche ging mir durch den Kopf. Das Gelato, mit dem alles begonnen hatte. Das zarte Rosa ihrer Brustwarzen. Der Zeitpunkt ihres Eisprungs.
    Und ich dachte an den Morgen. Ihr Vater stehe immer um sechs auf, hatte sie gesagt. Das bedeutete, dass ich mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Staub machen musste. Ich durfte auf keinen Fall einschlafen. Wenn ihr Vater mich erwischte, war die Hölle los. Ich fragte mich, ob das Boot der Belastung standhielt,
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