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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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verschaffen, dass sie sich ihr Leben lang alles gefallen lassen würde. Und das ist der Grund, warum ich heute Abend hier bin: Ich möchte sie vor sich selbst schützen, ihr eine Zuflucht bieten, dafür sorgen, dass es ihr nie wieder an etwas mangelt, dass sie aufhören kann, sich ständig Sorgen darüber zu machen, wie sie die Wohnung, die Steuern, unsere Ausbildung und das tägliche Essen bezahlen soll … Wenn ich das Geheimnis heute gelüftet habe, dann nur, um meine Mutter zu beschützen.«
    Der ganze Saal applaudierte.
    Joséphine starrte auf den Bildschirm, vor Verblüffung war ihr der Unterkiefer heruntergeklappt.
    Der Moderator lächelte, wandte sich in die Kamera, richtete sich an Joséphine und gratulierte ihr zu einer so klugen, starken Tochter. Dann fügte er in scherzhaftem Ton hinzu: »Warum sagen Sie ihr denn nicht ins Gesicht, dass Sie sie lieben, das wäre doch einfacher, als es im Fernsehen zu verkünden. Denn im Grunde war es doch nichts anderes als eine Liebeserklärung, was Sie hier gerade öffentlich gesagt haben …«
    Einen Moment zögerte Hortense, dann fing sie sich wieder.
    »Das kann ich nicht. Wenn ich meiner Mutter gegenüberstehe, bringe ich das nicht über mich. Ich schaffe es einfach nicht.«
    »Aber Sie lieben sie doch?«
    Einen Moment herrschte Schweigen. Hortense ballte ihre Hände auf dem Tisch zu Fäusten, senkte den Blick und gestand leise: »Ich weiß es nicht, es ist etwas kompliziert. Wir sind so verschieden …«
    Dann fasste sie sich wieder, richtete sich auf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fuhr fort: »Ich bin vor allem wütend auf sie, wütend auf die Kindheit, die ich nie hatte, diese Kindheit, die sie mir gestohlen hat!«
    Der Moderator gratulierte ihr zu ihrem Mut, dankte ihr für ihr Kommen, dankte auch dem Anwalt und stellte seinen nächsten Gast vor. Hortense stand auf und verließ unter dem Beifall des Publikums die Bühne.
    Joséphine blieb eine Weile reglos auf dem Sofa sitzen. Jetzt wissen es alle. Sie fühlte sich erleichtert. Ihr Leben gehörte endlich wieder ihr selbst. Sie brauchte nicht mehr zu lügen und sich zu verstecken.
Sie würde schreiben können. Unter ihrem eigenen Namen. Diese Vorstellung ängstigte sie ein wenig, aber sie sagte sich, dass sie jetzt keine Ausrede mehr haben würde, es nicht zu versuchen. »Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht, sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.« Das hatte der alte Seneca gesagt. Es war das erste Zitat, das sie zu Beginn ihres Studiums abgeschrieben hatte. Schon damals hatte sie sich damit Mut machen wollen … Und jetzt, sagte sie sich, jetzt werde ich es wagen. Dank Hortense. Meine Tochter hilft mir in den Sattel. Meine Tochter, diese Fremde, die ich nicht verstehe, zwingt mich, über mich hinauszuwachsen.
    Meine Tochter, die weder Liebe noch Zärtlichkeit noch Großzügigkeit respektiert, meine Tochter, die dem Leben mit einem Messer zwischen den Zähnen gegenübertritt, macht mir ein Geschenk, das mir noch nie jemand gemacht hat: Sie schaut mich an, sie schätzt mich ein, und sie sagt zu mir: Los, hol dir deinen Namen zurück, schreib, du kannst das! Halt dich gerade! Gib Gas! Vielleicht, stammelte Joséphine, vielleicht liebt sie mich ja sogar, vielleicht liebt sie mich. Auf ihre Art, aber sie liebt mich …
    Ihre Tochter würde bald nach Hause kommen. Sie würden einander gegenüberstehen. Sie durfte weder weinen noch sie umarmen. Sie spürte, dass es dafür noch zu früh war. Sie hatte sie verteidigt, im Fernsehen, sodass es jeder sehen konnte. Sie hatte ihr zurückgegeben, was ihr gehörte. Und das heißt doch, dass sie mich ein bisschen lieb hat?
    Sie blieb noch lange sitzen und dachte darüber nach, wie sie sich verhalten sollte. Die Minuten verstrichen. Hortense würde bald nach Hause kommen. Sie hörte den Schlüssel im Schloss, sie hörte Hortenses erste Worte, du bist noch wach, bist du nicht ins Bett gegangen, hast du dir Sorgen um mich gemacht? Ach, Maman! Na, wie fandest du mich? Sah ich gut aus? Habe ich interessant gewirkt? Ich musste es sagen, sonst hättest du dich doch schon wieder übers Ohr hauen lassen … Und ich hab die Nase voll davon, dass du dich immer übers Ohr hauen lässt! Sie würde in ihr Zimmer gehen und die Tür hinter sich schließen.
    Sie kämpfte gegen die Niedergeschlagenheit, die in ihr aufstieg.
    Sie öffnete die Balkontür und lehnte sich gegen die Brüstung. Die
Pflanzen waren längst eingegangen, sie
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