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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Autoren: Klaus Funke
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ihn wie mit geheimnisvollen Strahlen, es ist, als ob ein gleißender Lichtstrahl aus seinen Augen schösse und Stück für Stück die Haut, jeden Muskel, jedes Härchen überstriche, nichts entgeht ihnen.
    Präzise, fieberhaft, wie im Rausch arbeitet der Maler, plötzlich hört er die Stimme des Modells, seines Freundes und Lebensgenossen, er versteht zuerst nicht, der Ton, weit weg und wie hinter einem Vorhang, dringt nicht an sein Ohr, Hellmut Jahn muss sich wiederholen, muss laut werden. Ohne sich umzudrehen, dem Freund immer noch unbeweglich Modell stehend, fragt er: Sag, Sascha, würdest du auch deinen „Mutigen“, deinen „Starken und Lieben“, oh ja, so nennst du ihn! Ich hab es selber gelesen! Also, würdest du ihm, der dir erst jüngst die Briefe mit „mein Allerliebster, mein Allüberall Allertheuerster“ zeichnete, würdest du auch diesen alten Kerl so zeichnen wie mich? Nackt und aus dem Bett auferstanden?
    He, Sascha, sag es! Würdest du es tun? In der Stimme des jungen Mannes ist ein metallisches Schwingen, wie eine Bogensehne schwirrt, singt sie. Der Maler Schneider antwortet nicht, er zeichnet, hastig und hoch konzentriert, nur in seine Augen ist ein Flackern getreten, eine innere Unruhe. Seine Hand zittert unmerklich.
    Plötzlich, mit einem Ruck. Der Jüngere dreht sich um. Sascha Schneider stöhnt auf:
    Hellmut! Warum konntest du nicht so bleiben? Die paar Minuten noch. Los, dreh dich wieder um, ich bin gleich fertig.
    Doch der Freund denkt nicht daran, er glüht vor Grimm und Entschlossenheit, er kommt auf den Maler zu, versucht ihm den Block zu entreißen. Einen kleinen Moment balgen sich die nackten Männer wie zwei Jungen, schnaufen, ringen, kurz und heftig.
    Bist du verrückt geworden. Du zerreißt das Bild. Hellmut, bitte, besinne dich. Bitte, hör auf.
    Da, auf einmal kniet der Jüngere vor dem Älteren nieder, umschlingt dessen nackte, haarige Waden. Er beginnt zu weinen. Da bin ich nun extra aus Berlin zurückgekommen, schluchzt er, bin aus der Großstadt, wo ich tausend Möglichkeiten gehabt hätte, wieder hierher in dieses Nest gezogen, nur, um in deiner Nähe zu sein. Ja, es ist so, ich habe es in Berlin ohne dich nicht ausgehalten, schluchzt er weiter, ich übersiedelte nach Weimar, hab dann meine Wohnung in der Buchfarter Straße aufgegeben, bin hierher zu dir gezogen, weil ich deine Nähe brauche. Weil ich dich … Und nun das …?
    Der Maler Schneider streichelt dem Freund übers blonde, kurze, wellige Haar, auch er hat plötzlich Tränen in den Augen. Hellmut, sagt er leise, was hast du nur? Sag es mir. Du weißt, du kannst, du sollst mir alles sagen …
    Ach, seufzt der Jüngere, immer noch in dieser Haltung, kniend vor seinem Freund, ach Sascha, vor ein paar Tagen, du warst in der Akademie bei deinen Studenten, da schlich ich durch die Wohnung, hatte nichts zu tun, die Langeweile erschlug mich, wollte eigentlich wieder einmal ein bisschen zeichnen. Ein Stillleben. Die Puppe da! Er wendet sich um, zeigt auf die Gliederpuppe im Fenster. Ich schlich also hier herum, leise und mit bloßen Füßen, um den da unten (er zeigt mit dem Daumen nach unten zur drunterliegenden Wohnung) nicht aufmerksam zu machen, dass während deiner Abwesenheit sich einer hier oben aufhält, blieb dann drüben im Arbeitszimmer vor deinem Sekretär stehen, wollte nur ein paar neue Bleistifte suchen, und sehe ein paar Briefe liegen. Ja, deine Briefe, das stimmt. Aber sie waren schon geöffnet, das schwöre ich. Also nahm ich den obersten, las. Oh, Sascha, ich las und ich wollte meinen Augen nicht trauen. Er war von
ihm, deinem Shatterhand,
und erst ein paar Tage alt. Da war von Geburten die Rede, Geburten, die da kommen werden, von Wehen schrieb er, die vorausgehen, und davon, dass deine Stunde kommen werde, dass du gebären werdest, ohne eine Hebamme zu brauchen, und er redete dich an als der Mutige, der Starke, der Treue – sag, Sascha, was soll dieser Unsinn? Sind das versteckte Liebesbotschaften? Macht er dir auf diese Weise Avancen? Wegen deines Norwegen-Urlaubes schrieb dieser alte, verwirrte Geck, du solltest dein Herz und dein Auge an den stolzen, verschwiegenen Naturschönheiten Skandinaviens erfreuen, damit du kräftig und jugendfrisch werdest wie Freyr, den alle Elfen lieben. Nun wurde ich wild und zornig und wühlte, verzeih mir, in deinem Schreibtisch nach älteren Briefen. Es dauerte nicht lange, da fand ich einen angefangenen Brief von dir, ich weiß nicht, ob du ihn zu Ende geschrieben
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