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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Autoren: Klaus Funke
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da er auf ihn zugetreten ist, ihn umarmen will, macht er sich mit schroffer Geste los. Wieder schießen Blitze aus seinen Augen, wieder färbt Zornesröte sein Gesicht.
    Nein, nein Sascha, schreit er, so geht das nicht. Diesmal lasse ich mich nicht so abspeisen wie das letzte Mal, bevor ich nach Berlin abgehauen bin, diesmal will ich, wie ich sagte, eine Probe, ein Pfand, dass du, mein Freund Sascha Schneider, es ernst meinst mit mir, denn schließlich bin ich es, der Jüngere, der Unerfahrene, der ohne Anstellung und Reputation Lebende, der eine Sicherheit braucht, eine Garantie, beinahe wie eine Frau, die sich einem reichen Gatten ausliefert, weil sie keine Anstellung und keine soziale Sicherheit hat, ja, genauso ist es – ich brauche eine Garantie …
    Schneider, vor dem jungen Mann, plötzlich ratlos, weich und schüchtern wirkend, fragt, wie er, sein lieber, lieber Hellmut, das denn meine? Eine Garantie? Eine Probe? So etwas wie einen Liebesbeweis vielleicht?
    Ja, einen Liebesbeweis. Genau das.
    So sage mir, bitte, sag mir, was ich tun soll. Schneiders Widerstand ist endgültig zusammengebrochen, er wirkt klein, erbärmlich, er fühlt die eigene Schwäche, ein älterer Liebender, der seine Liebe um jeden Preis erhalten will, denn er ahnt, vielleicht ist es seine letzte große Liebe. So jammert er: Hellmut, wenn du dich nur wieder beruhigst. Wenn du dich nur nicht so aufregst, mein Liebster. Wenn nur dann alles wieder so wird, wie es vorher war. Und schrei hier nicht so herum. Es müssen ja nicht alle hören. Lilly wird gleich herunterkommen, das Frühstück aufzutragen.
    Also, was verlangst du?
    Pass auf! Der Jüngere wirkt auf einmal kühl, sogar kalt, überlegen und entschlossen. Also pass auf: Du schreibst dem alten Knacker einen Brief, einen Brief als Antwort auf seine Bitte, dich zu seinem Drama zu äußern …
    Aber, ich hab doch noch gar nicht …
    Sei still, du sollst mir zuhören. Du schreibst ihm, dass du das Werk ekelhaft und abstoßend findest und dass es eine künstlerische Fehlleistung sei, vollkommen daneben, abartig, feministisch und so weiter.
    Aber, Hellmut, das geht nicht und es entspricht auch nicht der Wahrheit.
    Wer hat etwas von Wahrheit gesagt? Hier geht es nicht um Wahrheiten, hier muss etwas ausgetreten werden wie eine züngelnde Flamme …
    Ich habe das Drama noch nicht einmal vollständig gelesen, es ist ja erst vor ein paar Tagen hier angekommen, es liegt …
    Ich weiß, es liegt drüben. Ich las darin, las es vollständig. Das muss genügen, du brauchst es gar nicht wieder in die Hände zu nehmen, ich sage dir, wie wir es machen …
    Aber, Hellmut …
    Still. Hör zu. Du schreibst ihm, aber du schreibst in deinem Stil, dass der Alte nicht stutzig wird, du versteckst deine rigorose Ablehnung in wohlgesetzte Worte, hüllst sie in den Nebel von Freundschaft und deiner ominösen Geistesbruderschaft ein, um so sicherer werden sie ihre Wirkung erreichen … der Alte wird schon verstehen und er wird in seiner Eitelkeit so verletzt werden, dass eure Beziehung von ganz alleine abkühlt. Die räumliche Trennung kommt hinzu, du hier in Weimar, er in seinem Radebeul, mehr braucht man gar nicht als dieses leise wirkende Gift, ein paar Tropfen genügen, und aus ist es.
    Hellmut, mir graut vor dir. Was du da verlangst …
    Still, mein Alterchen. Willst du mich behalten, schau … und der nackte, herrliche Junge dreht sich wie ein Tänzer vor der Auswahlkommission, also, wenn wir zusammenbleiben wollen, dann mach genau das, was ich dir jetzt sage: Du schreibst deinem Alten …
    Hellmut, ich kann nicht …
    Und ob du kannst. Hier hab ich alles skizziert, ich will es dir vorlesen. Hör zu: Zuerst musst du sagen, dass du das Drama mehrmals gründlich gelesen hast, dann musst du, bildlich gesprochen, die Hände heben und ihm zu verstehen geben, dass du in Wahrheit gar kein Fachmann bist, von Literatur nichts verstehst und dir deshalb eigentlich keine Kritik erlauben darfst. Siehst du, mein Lieber, und Hellmut Jahn blickt herausfordernd auf den Maler, siehst du, so fällt schon das erste Mal das Wort „Kritik“, eingebettet in die Formel, und dass sie, weil du nichts von Literatur verstehst, ja gar nicht als solche zu verstehen wäre. Aber es fällt das Wort und dein May weiß, es geht dir nicht um Lob, sondern um Kritik. Weiter. Dann sprichst du von der Tendenz des Werkes, die dir zuwider ist, und erwähnst deine atheistische Grundhaltung, die ihm ja bekannt wäre, sagst, dass du Mays Meinung zum
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