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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
Autoren: Care Santos
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erneut den Bauch der jungen Señora mit ihrem Blick. »Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn Ihnen das Gleiche passiert wie letztes Frühjahr.«
    »Mir wird schon nichts passieren«, erwiderte Teresa und lächelte sanft. »Ich bin schon im vierten Monat. Der Arzt hat mir gesagt, dass diesmal alles gut läuft.«
    Vor einiger Zeit bereits hatte Teresa gelernt, die Beharrlichkeit zu ihrer stärksten Waffe zu machen.
    Der Schlüssel tauchte schließlich gegen elf Uhr nachts auf, und zwar in dem Sekretär, der bei der älteren Señora in dem Vorzimmer stand, das ihr zuweilen als kleiner Privatsalon diente. Die triumphale Entdeckung machte Teresa, und als sie ihrer Schwiegermutter den Schlüssel überreichte, griff diese fest danach und auch nach der Hand, die ihn hielt.
    »Bleib noch einen Augenblick, Teresa«, bat Maria del Roser resolut, »und sorg dafür, dass die anderen verschwinden.«
    Ihre Zusammenkunft zog sich fast eine Stunde hin. Als Teresa das Zimmer von Doña Maria del Roser wieder verließ, hatte sie gerötete Augen und kreidebleiche Wangen. Sie schlief ohne zu essen ein. Der Tee und das Hefegebäck, die Antonia auf dem Tisch in ihrem Salon angerichtet hatte, waren noch am nächsten Tag unangetastet.
    Die Nacht verlief in absoluter Ruhe. Nicht einmal der Nachtwächter ging an dem imposanten Eingangsportal des Hauses vorbei. Vielleicht war es diese große Stille, die, wie es heißt, großen Katastrophen vorausgeht.
    In den folgenden Stunden, am Weihnachtsfeiertag 1932, ereigneten sich drei schreckliche Dinge: Maria del Roser Golorons verstarb in den frühen Morgenstunden in ihrem Bett, ihr Sohn Amadeo Lax verbrachte zum ersten Mal einen Teil der Nacht im Zimmer von Laia, der zwölfjährigen Tochter der Köchin, und am Morgen brannte das Warenhaus Grandes Almacenes El Siglo nieder.
Dienstag, 27. Dezember 1932
Artikel aus der Tageszeitung La Vanguardia
Lokales
Gestern Morgen wurde der Leichnam von Señora Maria del Roser Golorons zu Grabe getragen. Die Verstorbene war die Witwe des Bauunternehmers und Industriellen Don Rodolfo Lax sowie die Alleinerbin der bedeutenden Golorons-Textilfabriken selbigen Namens mit Sitz in der nahe gelegenen Stadt Mataró. Alle, die die Ehre hatten, mit dieser großartigen Dame und ihrer Familie in Freundschaft verbunden zu sein und Umgang zu haben, selbst Menschen, die ihren besonderen Charakter nur vom Hörensagen kannten, kamen gestern zusammen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen: Die einen folgten dem Sarg bis zu seiner Beisetzung in heiliger Erde, die anderen standen entlang der Strecke des Leichenzuges und begleiteten die Verblichene mit ihren Gebeten.
Um zehn Uhr morgens versammelten sich vor der Tür des Hauses im Pasaje Domingo, wo sich am frühen Weihnachtsmorgen der tragische Todesfall ereignete, die Teilnehmer des Trauerzuges: die Chorknaben der Pfarrei der Iglesia de la Concepción mit dem Vortragekreuz; eine beachtliche Abordnung des Arbeitervereins Instituto Obrero de San Andrés mit ihrer Standarte; zahlreiche Arbeiter der Industrias-Lax-Fabriken, die ihre Trauer mit brennenden Fackeln und schwarzen Schleifen am rechten Arm zum Ausdruck brachten; die Sänger der Musikkapelle der Iglesia de la Concepción; vierzig Ministranten, ebenfalls mit Fackeln, eskortierten den Sarg, den mehrere Angestellte der Lax-Fabriken auf ihren Schultern zur Kutsche trugen, während die Geistlichen der Pfarrei dem Sarg vorausgingen.
Sechs prächtig geschmückte Rappen zogen die Trauerkutsche mit den sterblichen Resten der Verblichenen, dahinter schritten die in Barcelona ansässigen männlichen Mitglieder der Familie sowie weitere Angehörige, die unter größten Mühen ihren Schmerz beherrschten und den Leichnam zu seiner letzten Ruhe begleiteten.
Neben Padre Eudaldo, dem Pfarrer der Iglesia de la Concepción, gaben der bedeutende Maler Don Amadeo Lax Golorons sowie dessen jüngerer Bruder, der Jesuitenpriester Padre Juan Lax Golorons, der Verstorbenen das letzte Geleit. Neben den beiden Söhnen ging, entgegen der Konvention, Doña Teresa Brusés de Lax, die Schwiegertochter der Verstorbenen. Der weitere Trauerzug hielt keine Überraschung bereit: der Hausarzt der Familie; der Prokurist der Firmen sowie zahllose Freunde und Nahestehende, die insgesamt eine Trauergemeinde von mehr als tausend Menschen bildeten. An der Spitze des Trauerzuges befand sich zudem Stadtrat Señor Bremón in Vertretung des Bürgermeisters.
Es ist unmöglich, die Namen aller zahlreich erschienenen illustren
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