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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Autoren: Arthur Golden
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weiter mit ihm zusammenleben? Ich wollte nicht von ihm weg, aber ob er nun da war oder nicht, nach dem Tod meiner Mutter würde das Haus auf jeden Fall leer wirken.
    Schließlich flüsterte mein Vater meinen Namen. Ich ging hinüber und kniete mich neben ihn.
    »Etwas sehr Wichtiges«, sagte er.
    Sein Gesicht wirkte viel schwerer als sonst. Er rollte die Augen, als hätte er die Kontrolle über sie verloren. Ich dachte, er mühe sich ab, um mir zu sagen, daß meine Mutter bald sterben werde, aber er meinte nur:
    »Geh ins Dorf hinunter und hol mir Weihrauch für den Altar.«
    Unser winziger buddhistischer Altar stand auf einer alten Kiste neben der Küchentür und war das einzig Wertvolle in unserem beschwipsten Haus. Vor der groben Skulptur von Amida, dem Buddha des westlichen Paradieses, standen winzige schwarze Totentafeln mit den Buddhistennamen unserer Ahnen.
    »Aber, Vater – war da nicht noch etwas?«
    Er machte eine Handbewegung, die mir befahl, endlich zu gehen.
    Der Pfad von unserem beschwipsten Haus folgte dem Klippenrand, bevor er vom Meer landeinwärts in Richtung Dorf abbog. Ihn an einem Tag wie diesem zu benutzen war schwierig, doch ich erinnere mich, wie dankbar ich war, daß der heftige Wind meine Gedanken von den Dingen ablenkte, die mich bedrückten. Das Meer war aufgewühlt. Die Wellen sahen aus wie zu Klingen geschliffene Steine, scharf genug, um zu verletzen. Mir schien, die ganze Welt leide an den gleichen Gefühlen wie ich. War das Leben nichts weiter als ein Sturm, der ständig alles davonfegte, was gerade noch dagewesen war, und nichts als etwas Dürres und Unerkennbares hinterließ? Derartige Gedanken waren mir bis dahin noch nie gekommen. Um ihnen zu entfliehen, rannte ich den Pfad hinab, bis unter mir das Dorf auftauchte. Yoroido war eine winzige Ansiedlung an einer kleinen Bucht. Normalerweise war das Wasser mit Fischerbooten gesprenkelt, heute aber konnte ich nur ein paar Kähne auf dem Heimweg entdecken. Wie immer sahen sie für mich aus wie Wasserkäfer, die über die Oberfläche hasten. Das Unwetter kam jetzt mit voller Wucht. Ich hörte sein Brüllen, und die Wolken vor mir waren so schwarz wie Holzkohle. Die Fischer in der Bucht verschwammen vor meinen Augen, als sie in einen Regenvorhang hineinfuhren, und waren gleich darauf ganz verschwunden. Ich sah, wie das Gewitter den Hang emporklomm und sich mir näherte. Nach den ersten schweren Tropfen, die mich wie Wachteleier trafen, war ich innerhalb von Sekunden so naß, als wäre ich ins Meer gefallen.
    Yoroido hatte nur eine Straße, die direkt vor die Tore der Fischfabrik führte und von einer Anzahl Häuser gesäumt war, deren Vorderzimmer als Läden benutzt wurden. Ich lief über die Straße zum Okada-Haus hinüber, wo Textilien verkauft wurden, aber dann stieß mir etwas zu – etwas Triviales, das, wie so oft, gewaltige Folgen hatte, etwa so, wie wenn man den Halt verliert und vor einen fahrenden Zug fällt. Da der Regen die unbefestigte Straße schlüpfrig gemacht hatte, geriet ich ins Rutschen und fiel hin. Dabei schlug ich mit einer Gesichtshälfte auf den Boden. Vermutlich war ich davon kurzfristig bewußtlos geworden, denn ich erinnere mich nur noch an eine Art Benommenheit und das Gefühl, etwas im Mund zu haben, das ich gern ausgespien hätte. Was dann geschah, nahm ich nur verschwommen wahr. Ich hörte Stimmen und fühlte, wie ich auf den Rücken gedreht wurde, dann wurde ich aufgehoben und getragen. Daß sie mich in die Fischfabrik brachten, erkannte ich an dem Geruch um mich herum. Ich hörte ein klatschendes Geräusch, als sie eine Ladung Fisch von den Holztischen auf den Boden schoben. Dann legten sie mich auf die schleimige Fläche. Ich wußte, daß ich naß, blutverschmiert und schmutzig war, daß ich Bauernkleider und keine Schuhe trug. Was ich nicht wußte, war, daß dies der Augenblick sein sollte, der alles für mich veränderte. Denn in diesem Zustand blickte ich ins Gesicht von Herrn Tanaka Ichiro.
    Ich hatte Herrn Tanaka schon oft in unserem Dorf gesehen. Er wohnte in einem weit größeren Dorf in der Nähe, kam aber tagtäglich herüber, denn die Fischfabrik gehörte seiner Familie. Er trug keine Bauernkleider wie die Fischer, sondern einen Herrenkimono und eine Kimonohose, womit er aussah wie ein Samurai. Seine Haut war glatt und straff wie ein Trommelfell, seine Wangenknochen waren glänzende Hügelchen und glichen der knusprigen Haut eines gegrillten Fisches. Ich hatte ihn schon immer faszinierend
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