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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Autoren: Arthur Golden
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nach, wenn er sie untersucht, dann wirst du ihn schon finden.«
    Ich dachte, nachdem Herr Tanaka Sugi fortgeschickt hatte, würde er wieder an seine Arbeit gehen, doch statt dessen blieb er noch lange am Tisch stehen und sah mich an. Ich spürte, wie mein Gesicht zu brennen begann. Schließlich sagte er etwas, was ich für außerordentlich clever hielt.
    »Du hast eine Aubergine im Gesicht, kleine Tochter von Sakamoto.«
    Er ging zu einer Schublade, holte einen kleinen Spiegel heraus und zeigte ihn mir. Meine Lippe war genau wie er gesagt hatte, dick angeschwollen und blutrot.
    »Was ich jedoch wirklich wissen möchte«, sagte er zu mir, »das ist, woher du diese außergewöhnlichen Augen hast und warum du deinem Vater nicht mehr ähnelst.«
    »Die Augen hab’ ich von meiner Mutter«, antwortete ich. »Aber was meinen Vater betrifft, der ist so verrunzelt, daß ich gar nicht weiß, wie er wirklich aussieht.«
    »Eines Tages wirst du auch verrunzelt sein.«
    »Aber ein paar von den Runzeln sind so, wie er eigentlich aussieht«, behauptete ich. »Sein Hinterkopf ist genauso alt wie sein Gesicht, doch der ist so glatt wie ein Ei.«
    »Es ist nicht sehr respektvoll, so etwas von seinem Vater zu sagen«, ermahnte mich Herr Tanaka. »Aber ich glaube, du hast recht.«
    Dann jedoch sagte er etwas, was mich so rot werden ließ, daß meine Lippen dagegen mit Sicherheit blaß wirkten.
    »Wie kommt es nur, daß ein verrunzelter alter Mann mit einem Kopf wie ein Ei eine so wunderschöne Tochter hat?«
    In all den Jahren, die seither vergangen sind, hat man mich viele Male als schön bezeichnet. Obwohl Geishas natürlich immer schön genannt werden, auch jene, die alles andere als gut aussehen. Aber als Herr Tanaka das zu mir sagte, bevor ich von Geishas überhaupt gehört hatte, konnte ich fast glauben, daß es stimmte.
    Nachdem Dr. Miura meine Lippe versorgt und ich den Weihrauch für meinen Vater geholt hatte, kehrte ich in einem so hochgradig erregten Zustand nach Hause zurück, daß ich glaube, selbst wenn ich ein Ameisenhügel gewesen wäre, hätte nicht mehr Aufruhr in mir herrschen können. Mir wäre wohler gewesen, wenn mich meine Gefühle alle in dieselbe Richtung gezogen hätten, aber so einfach war das nicht. Ich war umhergewirbelt worden wie ein Papierfetzen im Wind. Irgendwo zwischen den Gedanken an meine Mutter und über die Schmerzen in meiner Lippe hinaus nistete ein angenehmer Gedanke, den ich immer wieder ans Licht zu fördern versuchte. Er galt Herrn Tanaka. Auf den Klippen blieb ich stehen und blickte aufs Meer hinaus, wo die Wogen selbst nach dem Unwetter noch aussahen wie geschliffene Steine, während der Himmel die bräunliche Tönung von Schlamm angenommen hatte. Ich vergewisserte mich, daß mich niemand beobachtete, drückte den Weihrauch an meine Brust und sprach Herrn Tanakas Namen in den Wind, immer wieder, bis ich die Musik in jeder Silbe vernahm. Ich weiß, das klingt töricht – und das war es natürlich auch. Aber ich war ja nur ein kleines, verwirrtes Mädchen.
    Nachdem wir das Abendessen beendet hatten und mein Vater ins Dorf gegangen war, um den anderen Fischern beim Schachspiel zuzusehen, räumten Satsu und ich schweigend die Küche auf. Ich versuchte mich an das Gefühl zu erinnern, das Herr Tanaka in mir geweckt hatte, doch in der eisigen Stille des Hauses schien es mir entglitten zu sein. Statt dessen überkam mich bei dem Gedanken an meine kranke Mutter ein bohrendes, eiskaltes Grauen. Ich ertappte mich dabei, daß ich mich fragte, wie lange es noch dauern würde, bis sie da draußen auf dem Dorffriedhof neben der anderen Familie meines Vaters begraben sein würde. Was sollte dann nur aus mir werden? Nach dem Tod meiner Mutter würde vermutlich Satsu ihren Platz einnehmen. Ich sah zu, wie meine Schwester den Eisentopf scheuerte, in dem wir unsere Suppe gekocht hatten, aber obwohl er direkt vor ihr war und sie ihn direkt anschaute, merkte ich, daß sie ihn eigentlich gar nicht wahrnahm. Sie scheuerte auch dann noch, als er schon längst sauber war. Schließlich sagte ich zu ihr:
    »Ich fühle mich nicht wohl, Satsu-san.«
    »Geh hinaus, das Bad heizen«, wies sie mich an und strich mit einer ihrer nassen Hände das widerspenstige Haar aus den Augen.
    »Ich will aber nicht baden«, protestierte ich. »Mama wird sterben, Satsu…«
    »Der Topf ist kaputt. Sieh nur!«
    »Er ist nicht kaputt«, sagte ich. »Dieser Riß war schon immer da.«
    »Aber wie ist dann das Wasser abgelaufen?«
    »Du
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