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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Autoren: Arthur Golden
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denn sobald ich kein Mitglied der Familie Nitta mehr war, hätte sie keine Einkünfte mehr aus meiner Verbindung mit dem Direktor bezogen. Das ist der Grund, warum sich der Direktor schließlich einverstanden erklärte, der Okiya jeden Monat eine sehr beträchtliche Summe zu zahlen – unter der Bedingung, daß Mutter mir gestattete, meine Karriere als Geisha zu beenden. Ich lebte zwar, wie all die Jahre, weiterhin in der Okiya, besuchte jedoch am Vormittag nicht mehr die kleine Schule, machte in Gion nicht mehr die Runde, um bei speziellen Gelegenheiten meine Aufwartung zu machen, und des Abends leistete ich natürlich niemandem mehr Gesellschaft.
    Da ich es mir nur deshalb in den Kopf gesetzt hatte, Geisha zu werden, um die Zuneigung des Direktors zu erringen, hätte ich es eigentlich nicht als Verlust empfinden dürfen, mich aus Gion zurückzuziehen. Dennoch hatte ich im Lauf der Jahre viele schöne Freundschaften geschlossen, nicht nur mit anderen Geishas, sondern auch mit vielen der Herren, die ich kennenlernte. Nur weil ich nicht mehr arbeitete, brauchte ich nicht auf die Gesellschaft anderer Frauen zu verzichten, aber die meisten, die sich in Gion den Lebensunterhalt verdienen, haben wenig Zeit für Freundschaften. Häufig wurde ich neidisch, wenn ich zwei Geishas sah, die zu ihrem nächsten Engagement eilten, während sie gemeinsam über das lachten, was sie beim letzten erlebt hatten. Ich beneidete sie nicht um die Unsicherheit ihrer Existenz, ich beneidete sie um jenes glückverheißende Gefühl, an das ich mich nur allzugut erinnerte, um das Gefühl, der kommende Abend halte möglicherweise ein spitzbübisches Vergnügen für sie bereit.
    Mit Mameha traf ich mich oft. Wir tranken mehrmals die Woche Tee miteinander. Angesichts all dessen, was sie seit meiner Kindheit für mich getan hatte – und der ganz besonderen Rolle, die sie im Auftrag des Direktors in meinem Leben gespielt hatte –, können Sie sich vorstellen, wie tief ich mich in ihrer Schuld fühlte. Eines Tages entdeckte ich in einem Geschäft eine Seidenmalerei aus dem achtzehnten Jahrhundert: eine Frau, die ein junges Mädchen in Kalligraphie unterrichtet. Die Lehrerin besaß ein exquisites, ovales Gesicht und beobachtete ihre Schülerin mit so großem Wohlwollen, daß ich dabei sofort an Mameha dachte und das Bild für sie erstand. An dem verregneten Nachmittag, an dem sie es in ihrer trostlosen Wohnung an die Wand hängte, lauschte ich unwillkürlich auf den Verkehr, der auf der Higashi-oji-Avenue vorüberrauschte. Mit tiefem Bedauern dachte ich an die elegante Wohnung, in der sie vor Jahren gelebt hatte, und an das bezaubernde Geräusch des Shirakawa-Bachs vor ihrem Fenster, der über ein kniehohes Wehr rauschte. Damals hatte Gion selbst wie ein antiker Seidenstoff auf mich gewirkt, aber es hatte sich so vieles verändert. Jetzt lagen in Mamehas schlichter Einzimmerwohnung Matten in der Farbe abgestandenen Tees, und aus der chinesischen Apotheke unten drang der Geruch nach Kräutermedizin herauf – so intensiv, daß selbst ihr Kimono zuweilen ganz schwach einen medizinischen Duft zu verströmen schien.
    Nachdem sie die Tuschmalerei an die Wand gehängt und eine Weile bewundert hatte, kehrte sie an den Tisch zurück. Sie saß da, die Hände um ihre dampfende Teetasse gelegt, und spähte hinein, als erwartete sie dort die Worte zu finden, nach denen sie suchte. Erstaunt sah ich, daß sich auf ihren Händen die Sehnen des Alters abzuzeichnen begannen. Schließlich sagte sie mit einem Anflug von leiser Trauer:
    »Wie seltsam ist doch, was uns die Zukunft bringt. Du mußt darauf achten, Sayuri, daß du niemals zuviel erwartest.«
    Ich bin überzeugt, daß sie recht hatte. Die Jahre, die darauf folgten, wären mir weit weniger schwer geworden, wenn ich mir nicht weiterhin eingeredet hätte, daß Nobu mir eines Tages verzeihen werde. Letzten Endes mußte ich es aufgeben, Mameha ständig zu fragen, ob er sich nach mir erkundigt habe. Es tat furchtbar weh zu sehen, wie sie seufzte und mir einen langen, bedrückten Blick zuwarf, als wollte sie sagen, es tue ihr leid, daß ich nicht klug genug sei, diese Hoffnung endlich aufzugeben.
    Im Frühjahr des Jahres, nachdem ich seine Geliebte geworden war, kaufte der Direktor ein luxuriöses Haus im Nordosten von Kyoto, das er Eishin-an –»Ruhesitz zur Erfolgreichen Wahrheit«– nannte. Es war für die Gäste des Unternehmens gedacht, in Wirklichkeit benutzte der Direktor es jedoch weit häufiger als
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