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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Autoren: Arthur Golden
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stets so intensiv erfahren ließen. Wenn wir uns gegen eine steinige Unterströmung einen Fluß hinaufkämpfen, bekommt jeder Halt, den der Fuß findet, eine unendlich große Bedeutung.
    Doch nachdem der Direktor mein danna wurde, nahm das Leben eine weit angenehmere Form an. Allmählich fühlte ich mich wie ein Baum, dessen Wurzeln endlich in den fetten, feuchten Boden tief unter der Oberfläche vorgestoßen waren. Noch nie zuvor hatte ich Anlaß gehabt, mich zu fühlen, als wäre ich mehr vom Glück begünstigt als andere, nun aber wußte ich, daß ich das tatsächlich war. Obwohl ich sagen muß, daß ich sehr lange in diesem Zustand der Zufriedenheit lebte, bevor ich endlich zurückblicken und eingestehen konnte, wie trostlos mein Leben früher einmal gewesen war. Sonst wäre es mir bestimmt nicht möglich gewesen, meine Geschichte zu erzählen. Ich glaube, jeder von uns kann erst über den Schmerz sprechen, wenn er ihn nicht mehr spüren muß.
    An dem Nachmittag, als der Direktor und ich bei einer kleinen Zeremonie im Ichiriki-Teehaus miteinander Sake tranken, ereignete sich etwas Seltsames. Ich weiß nicht, warum, doch als ich aus der kleinsten der drei Schalen trank, die wir benutzten, und den Sake über meine Zunge spülen ließ, rann mir ein einziger kleiner Tropfen aus dem Mundwinkel. Ich trug einen mit fünf Wappen verzierten schwarzen Kimono, auf dem sich ein in Gold und Rot eingewebter Drache vom Saum bis zu meinen Oberschenkeln emporwand. Ich erinnere mich, daß ich beobachtete, wie der Tropfen an meinem Arm vorbeifiel und dann über die schwarze Seide zum Oberschenkel hinabrollte, bis die schweren Silberfäden der Drachenzähne ihn aufhielten. Bestimmt hätten die meisten Geishas die Tatsache, daß ich Sake verschüttet hatte, als schlechtes Omen betrachtet; für mich aber schien dieses Tröpfchen, das mir entschlüpft war wie eine Träne, fast die Geschichte meines Lebens zu erzählen. Es fiel durch den leeren Raum, ohne über sein Schicksal bestimmen zu können, es rollte über einen Pfad aus Seide, und irgendwie kam es dort in den Fängen des Drachen zur Ruhe. Ich dachte an die Blütenblätter, die ich draußen vor Herrn Arashinos Werkstatt in die Untiefen des Kamo-Flusses geworfen und mir gewünscht hatte, sie würden den Weg zum Direktor finden. Jetzt schien es mir, daß ihnen das vielleicht doch gelungen war.
    In meinen törichten Hoffnungen, die mir seit meinen Mädchenjahren so teuer gewesen waren, hatte ich mir vorgestellt, das Leben werde bestimmt vollkommen sein, wenn ich nur die Geliebte des Direktors werden könnte. Das ist ein kindischer Gedanke, und dennoch trug ich ihn noch als Erwachsene mit mir herum. Ich hätte es besser wissen sollen: Wie oft war mir schon die schmerzliche Lektion erteilt worden, daß wir uns zwar wünschen können, der Haken möge aus unserem Fleisch gezogen werden – es wird dennoch eine Narbe bleiben, die niemals verschwindet! Indem ich Nobu endgültig aus meinem Leben verbannte, hatte ich nicht nur seine Freundschaft verloren, sondern mich auch letztlich selbst aus Gion verbannt.
    Der Grund dafür ist so einfach, daß ich es unbedingt hätte voraussehen müssen. Ein Mann, der einen Preis gewonnen hat, nach dem sich sein Freund sehnt, steht vor einer schwierigen Wahl: Er muß seinen Preis entweder dort verstecken, wo ihn sein Freund niemals zu sehen bekommt – falls das möglich ist –, oder den Bruch der Freundschaft erleiden. Genau dasselbe Problem war zwischen mir und Kürbisköpfchen entstanden; unsere Freundschaft war an meiner Adoption zerbrochen. Obwohl sich die Verhandlungen des Direktors, der mein danna sein wollte, mit Mutter über mehrere Monate hinzogen, einigte man sich letztlich darauf, daß ich nicht mehr als Geisha arbeiten würde. Ich war gewiß nicht die erste Geisha, die Gion verließ: Außer jenen, die davongelaufen waren, hatten einige geheiratet und Gion als Ehefrauen den Rücken gekehrt, andere wiederum zogen sich zurück, um ein eigenes Teehaus oder eine eigene Okiya aufzumachen. Ich dagegen fand mich in einem seltsamen Mittelfeld gefangen. Der Direktor wollte, daß ich Gion verließ, um Nobu meinen Anblick zu ersparen, aber heiraten konnte er mich natürlich nicht, denn er war ja bereits verheiratet. Die perfekte Lösung – und eine, die der Direktor vorschlug – wäre es vermutlich gewesen, mir ein eigenes Tee- oder Gasthaus einzurichten, eins, das Nobu niemals aufgesucht hätte. Aber Mutter wollte nicht, daß ich die Okiya verließ,
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