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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente
Autoren: Hanns Kneifel
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scheel auf dessen Leidenschaft für Schriften und Bücher. Immerhin hatte Abdullah ibn Aziz den Jungen in allen Kampfarten ausgebildet und war mit dem Resultat zufrieden. Süleiman war 19 Sommer jung und alles andere als ein Stubenhocker. Abu Lahab tröstete sich damit, dass der Junge viele Freunde in der Stadt hatte und in den Nächten, in denen er nicht im Harem schlief, sich wahrscheinlich mit den jungen Sklavinnen anderer reicher Händler vergnügte.
    Aber Abu Lahabs Auge ruhte mit äußerstem Missfallen auf jenen Muslimen, die mit Ungläubigen verkehrten – zumindest mehr, als für gute Geschäfte notwendig war.
    Besonders missfielen ihm Glaubensbrüder, die ihre Häuser an Ungläubige vermieteten oder, was noch verwerflicher war, ihnen sogar den Mietzins erlassen hatten.

3
    Vor der Ruhe des Sabbats in Yerushalayim
     
    Mit sicheren Fingern, trotz der Dämmerung, legte Joshua ben Shimon den schwarzen Faden neben den weißen. Er saß an seinem Arbeitstisch auf dem Dach des Hauses. Tisch und Sessel waren umgeben von blühenden, duftenden Ziersträuchern in großen Tongefäßen und standen unter einem Viereck aus geflochtenen Binsen, das ihn tagsüber vor der Sonne schützte. Jenseits der Stadtmauer hatte sich der zunehmende Mond über die Berge erhoben.
    »Bald, in wenigen Atemzügen, fängt die Sabbatruhe an«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem Freund Henri, der den Greis bisher schweigend beobachtet hatte. »Ich sehe es dir an, Henri, dass du die Ruhe und den Frieden ebenso genießt wie Uthman und ich.«
    »So ist es.«
    Das Haus, das Joshua bewohnte, gehörte Uthmans Vater und war uralt, ebenso alt wie die meisten Häuser nahe des Jüdischen Viertels. Vielleicht hatten die Häuser schon gestanden, als die christlichen Heere vor mehr als zwei Jahrhunderten die Heilige Stadt erobert und die Stadtviertel in Seen aus Blut und Grausamkeit verwandelt hatten. Sicherlich war es in Teilen umgebaut und, wo nötig, erneuert worden, aber die Fassade und die rückwärtigen Mauern trugen die unverkennbaren Spuren hohen Alters.
    Joshua hob beide Fäden hoch und sagte lächelnd:
    »Jetzt ist es so weit. Ich kann den weißen nicht mehr vom schwarzen Faden unterscheiden.« Der letzte Widerschein der Sonne war hinter den Wolken am westlichen Horizont verschwunden. »Hilfst du mir, die Sabbatkerze anzuzünden, Henri?«
    Henri de Roslin nickte, stieg die Steintreppe hinunter und kam kurz darauf mit einem brennenden Öllicht zurück. Joshua entzündete den Docht der dicken, nach Bienenwachs duftenden Kerze und sprach die segnenden Worte. Dann begann er mit dünner Stimme zu singen. Henri summte die Melodie an den Stellen mit, an denen er sie wiedererkannte.
    Die Nacht senkte sich über die Stadt mit den drei Namen. Die Haushälterin Mara kam herauf. Sie trug ein großes Tablett, über das ein weißes Tuch gebreitet war, und stellte es auf den Tisch. Joshua sang und betete, bis die alte Mara eine Schüssel Wasser, das nach Rosen roch, in die Mitte des Tisches rückte. Die drei wuschen sich die Hände, trockneten sie feierlich ab, und Joshua sprach den Segen über den Wein.
    »Zur Erinnerung an den Exodus«, sagte Joshua. In den Gläsern der Brille brach sich das Licht der Kerzenflamme. Das schmale Gesicht des Gelehrten wirkte, als ob er träumte, aber die dunklen Augen hinter den Gläsern blitzten aufmerksam. Joshua verteilte Brote und Salz, und Mara füllte die Weinbecher.
    »Es tut gut, nicht kämpfen zu müssen und nicht von Feinden und Häschern umgeben zu sein.« Henris Stimme war weich, als er nach dem Becher griff. »Bald wird auch Sean bei uns sein.«
    Die ersten Sterne erschienen am Firmament. Der Mond stieg höher und übergoss die Stadt mit bleichem Licht. Das Murmeln und die vielfältigen Laute aus den Häusern und Gassen erfüllten die Nacht mit einem beruhigenden, fast einschläfernden Summen. In Fenstern und auf unzähligen Dächern erschienen Lichter. Andere Lichtpunkte, wahrscheinlich waren es Fackelflammen, bewegten sich durch die Gassen. Hinter Umar ibn al-Mustansirs Haus, im Jüdischen Viertel, das der Turm von Sankt Maria Magdalena überragte, breitete sich die Ruhe des Sabbat aus.
    »Er ist uns ebenso willkommen wie Uthman«, antwortete Joshua und setzte den Becher ab. »Die Tür knarrt. Ich höre ihn kommen.«
    Uthman war am späten Nachmittag in die Moschee gegangen, um am Freitagsgebet teilzunehmen. Henri hörte einen leisen Wortwechsel, dann wurde die Tür geschlossen und verriegelt.
    »Seid ihr
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