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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Autoren: Frank Tenner
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ich nicht verrückt war. „Schon möglich, aber ich kann dir Einzelheiten erzählen, wann die Krise genau ausbricht oder zumindest nicht mehr verborgen werden kann, welche amerikanischen Geldhäuser zuerst betroffen sind, welche Reaktionen der einzelnen europäischen Regierungen erfolgen werden.“
    „Schatz, keiner hat sich mehr mit dieser Thematik beschäftigt als du, dein Herr Bundestagsabgeordneter, dem du seine schönen Reden schreibst, könnte Nachhilfe bei dir nehmen.“
    „Grundsätzlich hast du schon recht, man kann, wenn man die Anfangsbedingungen eines Prozesses und einige wichtige Randbedingungen kennt, Voraussagen mit hoher Wahrscheinlichkeit treffen. Aber ganz sicher nicht in allen Details und schon gar nicht auf dem Finanzsektor.“
    „Ich möchte am Heiligabend keine wissenschaftlichen Grundsatzdiskussionen mit dir führen. Lass uns lieber noch ein wenig fernsehen oder eine Klassik CD hören. Den Abwasch machen wir dann morgen.“ Ich konnte nichts mehr sagen, fand aber wieder einmal die Antwort darauf, warum es zwar einige talentierte und den Männern sogar überlegene Herrscherinnen in der Geschichte gegeben hat, aber kaum weibliche Philosophen. Genau genommen, am Maßstab eines Kant oder Hegel gemessen, gar keine. Diese Einsicht verkündete ich aber nicht laut, es hätte vollends den Abend verdorben. Vielleicht war die Methode meiner Frau sogar hilfreich. Ich sollte einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Vielleicht hatte ich zu viel gearbeitet, neigte zu Fantasien. Morgen nach dem Aufstehen würde sich alles aufklären oder ich würde den Blödsinn vergessen haben.

3. Kapitel
    Natürlich hatte ich nichts vergessen. Mich wunderte bloß, wie wenig mir vom vergangenen Weihnachtsfest und den folgenden Tagen in Erinnerung geblieben war. Es war keineswegs so, dass ich jedes Wort oder jede Handlung voraussehen konnte oder mich an solche erinnerte. Nur wenige Einzelheiten tauchten ab und zu in meinem Gedächtnis auf. Erst am Silvesterabend, auf dem Weg zum „Alpenfrieden“, der Gaststätte, in der wir diese Nacht fröhlich feiern wollten, arbeitete mein Gehirn wieder mit einer Präzision, die mich alles andere als froh stimmte. Ich wandte mich an meine Frau. „Du hast mir meine Worte Heiligabend nicht abgenommen. Jetzt kann ich dir einen Beweis dafür liefern, dass sich einiges geändert hat. Dass ich die Zukunft kenne und exakte Voraussagen treffen kann.“
    „Na, dann fang mal an. Dann brauchen wir morgen nicht zu deiner Schwester zu fahren und Blei zu gießen. Du kennst ihre Worte heute schon. Oder aber wir fahren trotzdem und vergleichen ihre Weissagungen mit deinen Prognosen.“
    „Könntest du mich mal für eine Minute ernst nehmen. Pass auf!
    Tante Martha wird in diesem Jahr das Zeitliche segnen.“
    „Nun sie ist dreiundachtzig und leidet an Alterskrebs. Deine Chancen, Recht zu behalten, stehen nicht schlecht.“
    „Ich kenne aber den genauen Tag ihres Todes. Es ist der 22. August. Und am 29. werden wir an ihrer Trauerfeier teilnehmen,
    in einer Kapelle in Frohnau.“
    „Gut, dass sie unser Gespräch nicht mit anhören kann. So abergläubisch, wie sie ist, würde sie dir sicher den Gefallen tun und genau am 22. August einschlafen. Und soweit mir bekannt ist, hat sie einen Vorsorgevertrag bei einem Bestatter in Frohnau abgeschlossen. Dass die Trauerfeier eine Woche nach ihrem Verscheiden stattfinden soll, dürfte so außergewöhnlich nicht sein.“
    „Ich glaube, wenn ich dir erzählen würde, ich könnte fliegen und würde zum Beweis eine Runde über die Häuser fliegen, würdest du sagen, das ist in dem Alter, bei dem starken Wind und bei den Pfunden, die ich abgenommen habe, völlig normal. Aber weiter: Amerika wird den ersten farbigen Präsidenten bekommen.“
    „Auch nicht so ungewöhnlich. Die Amerikaner wollen einen echten Wechsel.“
    „Lassen wir die Politik. Ich muss gar nicht weit vorausschauen. Ich werde dir einiges über die kommenden Stunden berichten.“
    „Aber bitte nicht alles. Dann habe ich keinen Spaß mehr, weil ich schon alles kenne.“
    Ich ignorierte die Ironie in ihrer Stimme. „Wir werden gleich an einen Tisch mit vier weiteren Personen gesetzt. Zwei ältere Ehepaare. Der Familienname des einen Paares lautet „Schmidt“. Den anderen habe ich vergessen. „Soll vorkommen, dass man etwas aus der Zukunft vergisst.“
    „Hör zu, wir werden bei der Mitternachtstombola ein Edelstahl-Messer-Set gewinnen, den dritten Preis. Weiter. Wenn wir jetzt durch die
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