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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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Fackel an verschiedenen Stellen der Wände hin, welche die Höhle von dem centralen Kamine des Vulkans trennte. Wie dick war diese Wand wohl? Hundert Fuß oder nur zehn? Niemand vermochte das zu entscheiden, doch erschien das unterirdische Geräusch zu vernehmlich, als daß sie hätte von großem Durchmesser sein können.
    Nachdem der Ingenieur die Wand längs einer wagerechten Linie untersucht hatte, band er die Fackel an ein Ruder und glitt damit noch, einmal in großer Höhe an dem Basalte hin.
    Dort drang durch kaum sichtbare Spalten, durch locker liegende Prismen ein scharfer Dampf, der die Atmosphäre der Höhle inficirte. In der Mauer zeigten sich auch einige Sprünge, deren stärkste bis auf zwei oder drei Fuß über das Wasser der Krypte herabreichten.
    Cyrus Smith versank in Nachdenken. Dann murmelte er die Worte:
    »Ja, der Kapitän hatte Recht! Darin liegt die Gefahr, die entsetzlichste Gefahr!«
    Ayrton sagte nichts; aber auf ein Zeichen Cyrus Smith’s ergriff er die Ruder, und eine halbe Stunde nachher verließen er und der Ingenieur die Dakkar-Krypte wieder.
Neunzehntes Capitel.
Cyrus Smith’s Bericht über seine Untersuchung. – Man beschleunigt den Bau des Schiffes. – Ein letzter Besuch der Hürde. – Der Kampf zwischen Feuer und Wasser. – Was von der Oberfläche der Insel übrig bleibt. – Man entscheidet sich für den Stapellauf des Schiffes. – Die Nacht vom 8. zum 9. März.
    Am andern Morgen, den 8. Januar, kehrten Cyrus Smith und Ayrton nach einem Aufenthalte von einem Tage und einer Nacht, und nachdem in der Hürde alles Nöthige gethan war, in das Granithaus zurück.
    Sofort rief der Ingenieur seine Gefährten und theilte ihnen mit, daß die Insel Lincoln in ungeheurer Gefahr schwebe, die keine menschliche Macht abzuwenden vermöge.
    »Meine Freunde, sagte er mit tief bewegter Stimme, die Insel Lincoln gehört nicht zu denen, welche einen ebenso langen Bestand haben, wie die Erdkugel selbst. Sie verfällt einer mehr oder weniger nahen Zerstörung, deren Ursache in ihr selbst liegt, und welche Nichts zu beseitigen vermag.«
    Die Colonisten sahen abwechselnd sich und den Ingenieur an. Sie verstanden ihn noch nicht.
    »Erklären Sie sich, lieber Cyrus, sagte Gedeon Spilett.

    – Ich werde mich erklären, sagte Cyrus Smith, oder ich werde Euch vielmehr die Erklärung geben, die ich von Kapitän Nemo in den wenigen Minuten unseres Gespräches unter vier Augen erhielt.
    – Von Kapitän Nemo! riefen die Anderen.
    – Ja, es ist der letzte Dienst, den er uns vor seinem Tode erweisen wollte. Ihr werdet erfahren, daß er uns, trotzdem er todt ist, noch andere Dienste leisten wird.
    – Aber was sagte damals Kapitän Nemo? fragte der Reporter.
    – So hört denn, meine Freunde, antwortete der Ingenieur. Die Insel Lincoln befindet sich nicht in den nämlichen Verhältnissen, wie die übrigen Inseln des Stillen Oceanes, und eine eigenthümliche Anordnung ihres Gerüstes, über die Kapitän Nemo mich belehrte, muß früher oder später eine Verschiebung ihrer unterseeischen Grundlage veranlassen.
    – Eine Verschiebung der ganzen Insel Lincoln! Das sagen Sie einem Anderen! rief Pencroff, der bei allem Respecte vor Cyrus Smith doch ungläubig mit den Achseln zuckte.
    – Hören Sie erst, Pencroff, fuhr der Ingenieur fort, was Kapitän Nemo ausgesagt hat und ich bei meiner gestrigen Untersuchung der Dakkar-Krypte bestätigt gefunden habe. Diese Höhle setzt sich unter der Insel bis in den Vulkan fort, und ist von dem Centralkamine nur durch die Wand ihres Kopfendes getrennt. Diese Wand aber ist von Rissen und Sprüngen durchzogen, welche schon jetzt im Innern des Vulkans erzeugte Schwefeldünste durchdringen lassen.
    – Nun, und dann? fragte Pencroff und runzelte die Stirn.
    – Ich habe gesehen, daß diese Sprünge sich unter der Pressung von innen erweitern, daß die Basaltwand sich nach und nach spaltet und in kürzerer oder längerer Zeit dem Wasser des Meeres den Eintritt in den Kraterkessel gestatten wird.
    – Recht schön! bemerkte Pencroff, der noch einmal zu scherzen beliebte. Dann löscht das Meer den Vulkan aus und Alles hat ein Ende.
    – Ja, Alles hat ein Ende! wiederholte Cyrus Smith. An dem Tage, da das Meer durch die Wand und in die inneren Eingeweide der Insel dringen wird, wo die Auswurfsmassen brodeln, an dem Tage, Pencroff, wird die Insel Lincoln in die Luft springen, so wie es Sicilien ergehen würde, wenn das Mittelmeer sich in den Aetna ergösse!«
    Die Colonisten
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