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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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sich ein Strom feurig-flüssiger Substanzen von dem Bergabhange auf die Wiese und benagte die betreffende Seite der Palissade. Schnell stieß Ayrton das Thor auf, und nach allen Seiten hin entflohen die geängstigten, verwirrten Thiere.
    Eine Stunde später erfüllte kochende Lava die ganze Hürde, verdampfte das Wasser des kleinen Baches darin, setzte das Haus in Flammen, das wie ein Feim aufloderte, und verzehrte den Plankenzaun bis auf den letzten Pfahl. Von der Hürde war nichts mehr übrig!
    Erst hätten die Colonisten gern gegen diese Einströmung anzukämpfen versucht – vergeblich! Der Mensch hat keine Waffen gegen das Wüthen der Elemente.
    Als der Tag anbrach wollten Cyrus Smith und seine Gefährten sich wenigstens überzeugen, welche definitive Richtung die Lava-Ueberschwemmung nehmen werde. Die allgemeine Neigung des Bodens verlief vom Franklin-Berge nach der Ostküste, und es blieb zu befürchten, daß der Strom trotz des dichten Holzes im Jacamarwalde das Granithaus erreichen könne.
    »Der See wird uns schützen, sagte Gedeon Spilett.
    – Ich hoffe es!« war Cyrus Smith’s ganze Antwort.
    Die Colonisten wären gern bis zu jener Gegend vorgedrungen, nach welcher der obere Kegel des Franklin gestürzt war; aber die Lavamassen versperrten ihnen den Weg. Diese folgten einestheils dem Thale des Rothen, anderntheils dem des Cascadenflusses, wobei sie diese Wasserläufe in Dampf verwandelten. Es gab keine Möglichkeit, diesen Feuerstrom zu überschreiten, im Gegentheil mußte man immer weiter vor ihm zurückweichen.
    Der entkrönte Vulkan sah sich gar nicht mehr ähnlich. Jetzt endete er in einer fast glatten Fläche. Zwei an seinem Südostrande ausgebrochene Oeffnungen ergossen unaufhörlich Lavamassen, welche zwei bestimmt unterschiedene Ströme bildeten.
    Ueber dem neuen Krater vermischte sich eine Wolke von Rauch und Asche mit den über der ganzen Insel lagernden Dunstmassen. Starke Donnerschläge unterbrachen das Rollen in dem Innern des Berges. Aus seiner Oeffnung sprangen feurige Felsstücke auf, welche, 1000 Fuß hoch in die Luft geschleudert, in jener Wolke zersprangen und als Hagel herab fielen. Der Himmel antwortete mit Blitzen dem Ausbruche des Vulkanes.
    Gegen sieben Uhr Morgens erschien die Stellung der nach dem Saume des Jacamarwaldes zurück gedrängten Colonisten nicht mehr haltbar. Nicht allein regnete es Geschosse rings um sie, sondern die das Bette des Rothen Flusses übersteigende Lava drohte ihnen auch den Weg abzuschneiden. Die ersten Baumreihen singen Feuer, und ihr plötzlich verdampfender Saft brachte sie wie Feuerwerkskörper zum Zerspringen, während andere, weniger feuchte, zusammen hielten.
    Die Colonisten betraten die Hürdenstraße. Sie gingen langsam, sie wichen vielmehr nur zurück. In Folge der Neigung des Bodens breitete sich der Strom schnell nach Osten zu aus, und wenn die unteren Lavaschichten auch etwa erhärteten, so flossen doch neue Massen über sie hinweg.
    Inzwischen wurde der Strom im Thale des Rothen Fusses immer bedrohlicher. Der ganze Theil des Waldes um denselben hatte sich entzündet, und ungeheure Rauchwolken wälzten sich über die Bäume hin, deren Fuß schon in der glühenden Lava knisterte.
    Die Colonisten gelangten, etwa eine halbe Meile neben der Mündung des Rothen Flusses, an den See. Jetzt trat eine Lebensfrage an sie heran.
    Der Ingenieur, gewohnt jede ernste Lage zu erläutern, und im Bewußtsein, zu Männern zu reden, die die Wahrheit zu hören vermochten, sagte da:
    »Entweder hält nun der See jenen Strom auf, und es entgeht ein Theil der Insel der vollkommenen Zerstörung, oder er ergreift die Wälder des fernen Westens, und dann bleibt kein Baum und kein Halm der ganzen Bodenfläche verschont. Uns würde auf den kahlen Felsen nur der Tod winken, den die Explosion der ganzen Insel vielleicht beschleunigt.
    – Dann wäre es also, sagte Pencroff, kreuzte die Arme und stampfte den Boden, unnütz, an dem Schiffe weiter zu arbeiten; nicht wahr?
    – Pencroff, antwortete Cyrus Smith, seine Pflicht muß man thun bis an’s Ende!«
    In diesem Augenblicke gelangte der Lavastrom, der sich einen Weg durch die herrlichen Bäume, die er verzehrte, gebrochen hatte, an das Ufer des Sees. Dieses verlief in einer unbedeutenden Bodenerhebung, welche bei größerer Höhe wohl hingereicht hätte, den Strom aufzuhalten.
    »An’s Werk!« rief Cyrus Smith.
    Alle begriffen die Absichten des Ingenieurs. Dieser Strom mußte so zu sagen eingedämmt und genöthigt
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