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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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werden, sich in das Wasser des Sees zu stürzen.
    Die Colonisten eilten nach dem Zimmerplatze. Sie schleppten Schaufeln, Aexte und Hacken herzu, und mittels einer Dammschüttung und umgestürzten Bäumen gelang es ihnen, binnen wenigen Stunden einen drei Fuß hohen und mehrere hundert Schritte langen Wall aufzuwerfen. Als sie fertig waren, glaubten sie nur wenige Minuten gearbeitet zu haben.
    Es wurde die höchste Zeit. Fast gleichzeitig erreichten die flüssigen Massen den unteren Theil der Erhöhung. Die Fluthen stauten sich, wie in einem Strome bei Ueberschwemmung, wenn sie auszutreten drohen, und hätten, wenn das geschah, unzweifelhaft die übrigen Wälder ergriffen … Doch, der Damm hielt aus, und nach einigen schrecklichen Augenblicken der Erwartung stürzte sich die Lava in einem zwanzig Fuß hohen Falle in den Granit-See.
    Mit stockendem Athem, bewegungslos und stumm sahen die Colonisten dem Kampfe der beiden Elemente zu.
    Welches Schauspiel, dieses Ringen zwischen Wasser und Feuer! Welche Feder vermochte diese Scene des Schreckens zu schildern, welcher Pinsel, sie zu malen! Pfeifend schäumte das bei der Berührung mit der Lava verdampfende Wasser. Zu ungemessener Höhe zischten diese Dampfstrahlen auf, als hätte man plötzlich die Ventile eines ungeheuren Dampfkessels geöffnet. So beträchtlich aber auch die Wassermasse des Sees war, so mußte sie doch endlich absorbirt werden, da sie sich nicht mehr erneuerte, während der Lavastrom aus seiner unerschöpflichen Quelle immer neue Gluthmassen heranwälzte.
    Die erste Lava, welche in den See fiel, erstarrte augenblicklich und häufte sich so an, daß sie bald über seine Oberfläche emporragte. Ueber sie strömte neue Lava hinweg und versteinerte ihrerseits, gelangte aber schon weiter nach der Mitte zu. So bildete sich eine Art Hafendamm und drohte mit der Ausfüllung des Sees, der übrigens nicht über seine Ufer treten konnte, da eine entsprechende Menge seines Wassers verdampfte.
    Ein betäubendes Pfeifen, Zischen und Prasseln erfüllte die Luft, und die von dem Winde verjagten Dampfwolken fielen als Regen in das Meer nieder. Der Lavadamm wuchs, und die erstarrten Blöcke thürmten sich übereinander. Da, wo früher eine friedliche Wasserfläche glitzerte, erhob sich jetzt ein Haufen rauchenden Gesteins, als ob eine Bodenerhebung tausend Risse empor gedrängt hätte. Stelle man sich die von einem Orkane gepeitschten Wogen vor, welche plötzlich durch eine enorme Kälte erstarrten, so gewinnt man ein Bild von dem See, drei Stunden nach dem Eindringen des unaufhaltsamen Stromes.
    Diesmal unterlag das Wasser dem Feuer.
    Immerhin konnte es als ein Glücksumstand für die Colonisten gelten, daß die Lavamasse in den Grant-See geleitet worden war. Sie erlangten dadurch einige Tage Aufschub. Das Plateau der Freien Umschau, das Granithaus und der Zimmerplatz blieben folglich vorläufig verschont. Diese wenigen Tage mußten also benutzt werden, das Schiff noch weiter mit Planken zu versehen und tüchtig zu kalfatern. Dann wollte man es in’s Wasser lassen, sich auf dasselbe flüchten und seine weitere Ausrüstung besorgen, wenn es auf seinem Elemente schwömme. Bei der zu befürchtenden Explosion der Insel bot der Aufenthalt auf dem Lande keinerlei Sicherheit mehr. Die sonst so sichere Wohnung im Granithause konnte jetzt jeden Augenblick ihre steinernen Wände schließen und zum Kerker der Insassen werden.
    Während der sechs Tage vom 25. bis 30. Januar leisteten die Colonisten ebenso viel, als sonst zwanzig Mann gearbeitet hätten. Kaum einen Augenblick der Ruhe gönnten sie sich, da der Widerschein der Flammen ihnen Tag und Nacht thätig zu sein erlaubte. Der vulkanische Ausfluß währte, wenn auch mit verminderter Heftigkeit, immer fort. Das war ein Glück, denn der Grant-See hatte sich fast ganz ausgefüllt, und wenn jetzt noch neue Lavamassen über die alten hinweg rannen, mußten sie sich auf das Plateau der Freien Umschau und von da auf den Strand ergießen.
    Wenn auf dieser Seite die Insel zum Theil geschützt erschien, so war das jedoch auf der Nordseite nicht der Fall.
    Der zweite Lavastrom nämlich, jener im weiten Thale des Cascadenflusses, fand der Gestaltung des Bodens nach offenbar kein Hinderniß. Die feurigen Massen hatten sich quer durch den Wald des fernen Westens verbreitet. In dieser Jahreszeit, wo die Bäume durch die furchtbare Hitze schon fast ausgedörrt waren, fing der Wald augenblicklich Feuer, so daß sich das verheerende Element
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