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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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Frau hatte es offenbar mitten im Rennen erwischt, denn ihre beiden Füße schwebten in der Luft.
    Das Taxi zwängte sich zwischen zwei Nachtbussen hindurch, dann fuhren sie bergab. Betonmauern erhoben sich zu beiden Seiten, und sie befanden sich plötzlich in einem Tunnel. Der Fahrer trat auf die Bremse, so dass das Taxi schlitternd hinter einer weißen Limousine zum Stehen kam. Ein Mann und eine Frau streckten Köpfe und Schultern durchs Schiebedach.
    Durch den unvermittelten Stopp wurde Avi nach vorne geschleudert, so dass er wünschte, er hätte sich wie das Mädchen angeschnallt. Er rappelte sich auf, bis er durch die Glasabtrennung des Taxis schauen konnte. Der Fahrer erwiderte seinen Blick.
    »Hier sind wir in Sicherheit«, sagte er. »Zumindest für kurze Zeit. Entschuldige, dass ich so lange gebraucht habe, um dich abzuholen, Avi. Aber ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.« Er holte tief Luft und sprach weiter. »Da du dich offenbar nicht erinnerst, wer ich bin, sehe ich mich in der merkwürdigen Lage, mich dir vorstellen zu müssen. Mein Name ist Durin, und ich bin ein Wächter. Das heißt, dass ich auf deiner Seite stehe. Da ich diese Behauptung nur schwerlich beweisen kann, wirst du mir einfach glauben müssen, wenn ich dir sage, dass es meine Aufgabe ist, dich zu beschützen. Wenn nötig, sogar mit meinem Leben.«
    Seine Worte brandeten über Avi hinweg. Das alles war so sonderbar. Dann begann er endlich zu verstehen. Denn da er nun das Gesicht dieses Durin mit seinem kurzen grauen Haar und den harten grauen Augen sehen konnte, des Mannes, der ein wenig zu groß für seinen Anzug wirkte, wusste er, woher er ihm bekannt vorkam.
    Er war der Nachrichtensprecher aus dem Fernseher. Avi war überzeugt, dass Kellen sein Feind war. Und genauso sicher war er, in dieser undurchschaubaren Situation endlich einen Freund gefunden zu haben.

Kapitel 5
    A vi saß seitlich auf dem Klappsitz hinter der Fahrerkabine.
    »Heißt das, dass du kein Taxifahrer bist?«, fragte er.
    Der Anflug eines Lächelns spielte um Durins strengen Mund und erreichte auch seine undurchdringlichen Augen. Obwohl dieses Lächeln auf seinem Gesicht eigenartig wirkte, spürte Avi, dass es echt war.
    »In diesem Moment bin ich einer. Aber … nun, ich fürchte, die Dinge liegen ein wenig komplizierter. Die Sache ist nicht einfach, Avi.«
    »Du hast dich als Wächter bezeichnet. Was ist das?«
    Durins Lächeln verschwand. »Das heißt, dass ich ein Abgesandter des Orakels bin. Frag mich jetzt nicht, was das Orakel ist, das erkläre ich dir später. Im Augenblick brauchst du nur zu wissen, dass ich geschickt wurde, um dich zu beschützen.«
    »Vor Kellen?«
    »Ja.«
    »Wie ein Leibwächter?«
    »So könnte man es auch ausdrücken.«
    Plötzlich fiel Avi das Mädchen auf dem Rücksitz ein. Sie saß reglos da und zuckte nicht einmal mit der Wimper, wie eine Wachsfigur bei Madame Tussaud’s.
    »Und wer ist sie?«, erkundigte er sich.
    Auf dem Wagendach polterte es. Durins große Hand krampfte sich ums Steuer, und Avi hielt den Atem an. Eine Sekunde später rutschte eine Taube benommen die Windschutzscheibe hinunter und landete auf der Motorhaube. Avi atmete erleichtert auf.
    Die Taube pickte an einem der Scheibenwischer, dann neigte sie den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung und spähte mit schwarzen Knopfaugen ins Wageninnere. Sie öffnete und schloss den Schnabel. Einer ihrer Füße war verkrüppelt, die Krallen verbogen und geschwollen.
    Avi wollte Durin gerade fragen, was der Vogel wohl hier in einem Tunnel wollte, wo es doch sicher kein Futter gab, als zwei weitere Tauben auf der Motorhaube erschienen. Sie stolzierten zur Windschutzscheibe und stierten ins Taxi.
    »Avi«, meinte Durin leise, »schnall dich an.«
    Noch ehe der Sicherheitsgurt eingerastet war, hatte Durin schon den Motor angelassen. Als er ansprang, erzitterte die Motorhaube, doch die Tauben ließen sich davon nicht stören.
    »Schau ihnen nicht in die Augen«, wies Durin ihn an.
    »Aber es sind doch bloß …«
    »Sie sind eindeutig nicht bloß irgendetwas und ganz bestimmt keine Tauben, sondern Kundschafter.«
    »Kundschafter?«
    »Kellen hat auch seine Leute. Hör zu.«
    Durin kurbelte das Fenster einen Spalt herunter. Trotz des Motorbrummens konnte Avi das Gurren der Tauben wahrnehmen. Aber sie klangen nicht wie gewöhnliche Tauben, sondern viel gutturaler, und Avi hatte den Eindruck, dass es sich eher um Stimmen handelte als um Tierlaute. Die Sprache
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