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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten
Autoren: Tom Harper
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bin noch nicht müde.»
    «Ich auch nicht», log sie. Doch kaum hatte er ihr einen Gutenachtkuss gegeben und die Tür hinter sich zugezogen, schlief sie bereits tief und fest.

    Die Kälte weckte sie. Sie lag auf der Decke, immer noch in ihrem Sommerkleid, und spürte den kalten Hauch von der Klimaanlage ihre Haut streifen. Sie wälzte sich auf die Seite, um bei Michael Wärme zu suchen. Tastend streckte sie den Arm aus, über die gesamte Breite des Bettes bis ans Nachttischchen.
    Er war nicht da.
    Sie blieb eine Weile lang liegen und versuchte, sich in dem ungewohnten Zimmer zu orientieren. Einen Lichtschalter konnte sie nirgends ausmachen. Sie hörte nur das Summen der Klimaanlage und eine tickende Uhr neben dem Bett. Ihre Leuchtziffern schrieben 3:45 Uhr.
    Und dann war da noch etwas – eine murmelnde Stimme. Abby lauschte in die Stille des Hauses. Waren es zwei Stimmen, im Gespräch miteinander? Oder hörte sie nur Wellen an den Fuß des Felsens branden?
    Es war der Fernseher, glaubte sie endlich zu wissen. Vielleicht hatte Michael ferngesehen und war darüber eingeschlafen. Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Sie sah ein schwaches bläuliches Licht unter der Tür her vom Flur hereinflackern.
    Träge von Schlaf und Alkohol, wusste sie nicht recht, was sie tun sollte. Vielleicht war es besser, Michael schlafen zu lassen, bis er von allein aufwachte. Aber es war so kalt im Bett!
    Sie stand auf und tappte auf bloßen Füßen durch den Flur ins Wohnzimmer. Der riesige Bildschirm an der Wand schimmerte diodenblau. In einem silbernen Aschenbecher lagen sechs Zigarettenkippen. Das Ledersofa zeigte eine Vertiefung, wo Michael gelegen haben musste.
    Aber er war nicht da. Und der Fernseher war auf stumm geschaltet.
    Was habe ich da gehört?
    Ein Windstoß führte Düfte der Nacht mit sich: Jasmin, Feigen und Chlor. Die Außenbeleuchtung war immer noch eingeschaltet. Die Tür stand offen. Abby sah Michael am Pool stehen und eine Zigarette rauchen. Neben ihm lag auf einem Metalltisch sein Aktenkoffer mit aufgeklapptem Deckel. Ein Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose begutachtete seinen Inhalt.
    Abby ging hinaus, immer noch wacklig auf den Beinen. Hinter der Schwelle prallte sie mit den nackten Zehen gegen einen harten Gegenstand, den sie im Dunkeln nicht gesehen hatte. Vor Schmerz und Schreck stieß sie einen kleinen Schrei aus. Die leere Champagnerflasche rollte über die Fliesen und fiel platschend in den Pool.
    Die beiden Männer fuhren herum und starrten ihr entgegen.
    «Störe ich?»
    «Geh wieder rein!», rief Michael.
    Er klang verzweifelt. Irritiert ging sie zwei Schritte weiter und trat ins Licht der Poolscheinwerfer. Der Mann im weißen Hemd griff hinter sich. Als er die Hand wieder zeigte, hielt er eine schwarze Pistole darin.
    Es war der letzte Eindruck, an den sie sich später klar erinnerte. Alles andere war im Nachhinein verschwommen und bruchstückhaft. Michael stieß den Mann zurück, worauf der Schuss ins Leere ging. Der Tisch kippte um. Der Aktenkoffer landete mit allem, was darin lag, auf dem Boden. Doch darauf achtete sie nicht. Sie sprang zurück, glitt aus und stürzte.
    Hart traf sie auf dem Wasser auf. Zappelnd ging sie unter. Sie schmeckte Chlor in der Kehle und musste würgen. Der Saum des Sommerkleids klebte an ihrem Gesicht.
    Wieder an der Oberfläche, strampelte sie auf den Beckenrand zu. Die vom weichen Licht umspülten Nymphen in der Tiefe lockten sie zu sich, doch mit beiden Armen stemmte sie sich aus dem Wasser.
    Ausgestreckt am Beckenrand, sah sie aus der Froschperspektive den Aktenkoffer und seinen verstreuten Inhalt am Boden liegen. Die marmornen Gottheiten blickten auf sie herab. Am anderen Ende der Terrasse rangen zwei Männer über dem Abgrund. Michael schlug mit der Faust zu und verfehlte sein Ziel. Von seinem Gegner am Arm gepackt, wurde er zur Felskante hin herumgeschleudert. Für einen Moment sah es so aus, als umarmte sich ein Liebespaar. Doch plötzlich und blitzschnell trat der Fremde auf Michaels Standbein ein und stieß ihn zur Seite. Michael wankte und flatterte mit ausgestreckten Armen wie ein flügellahmer Vogel. Fast wäre es ihm gelungen, das Gleichgewicht wiederzufinden. Doch schon setzte sein Gegner zum Todesstoß an, der aber gar nicht mehr nötig war. Ohne einen Ton von sich zu geben, kippte Michael über den Rand und verschwand in der Tiefe.
    Abby konnte nicht anders und schrie laut auf. Der Mann wandte sich ihr zu. Seine Bewegungen waren
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